Thomas Kösling: „Mit der Meisterschaft haben wir uns eine Vision erfüllt“.
Die Frankfurt Galaxy konnte sich vor ein paar Wochen in einem hochspannenden und dramatischen Finale die Meisterschaft mit 32:30 gegen die Hamburg Sea Devils sichern. Damit konnten die Hessen sportlich Geschichte schreiben. Die Frankfurter sind der erste Meister in der European League of Football. Im exklusiven Interview spricht Headcoach Thomas Kösling über die Partie und über American Football!
Herr Kösling, erst einmal herzlichen Glückwunsch. Sie haben bei der Premiere die Frankfurt Galaxy zur ELF-Meisterschaft geführt. Das kann Ihnen, dem Stuff, den Spielern und dem gesamten Verein keiner mehr nehmen: Erster Meister in der European League of Football! Kann man es schon fassen?
Thomas Kösling: Ja, mittlerweile schon. Es ist ein sehr schönes und auch ein recht zufriedenstellendes Gefühl. Es hat aber schon ein paar Tage gedauert … direkt nach dem Spiel, die Tage danach … es flog einfach alles an einem vorbei und es fiel auch sehr viel von mir ab. Ich war mental schon sehr angespannt!
Aber mit Abstand betrachtet und frisch aus dem Urlaub zurück, hat man mittlerweile alles verarbeitet und ist einfach nur glücklich. Es war ja nicht nur das Finale oder die Einladung in den Frankfurter Römer, es ist diese ganze Reise, die wir als Verein und als Team durchlebt haben. Das macht einen sehr zufrieden!
Den Auftakt in die Saison hatte man gegen Hamburg verloren und dann geht es im Finale ausgerechnet wieder gegen Hamburg. Wie oft haben Sie diese erste Partie in der Vorbereitung auf das Finale gezeigt?
Thomas Kösling: Überhaupt nicht … das erste Spiel war für uns auch sehr schnell abgehakt. Wir konnten uns beim Auftakt gar nicht richtig auf den Gegner einstellen, weil Hamburg ein ganz neues Team war und das wenige Material, was wir im Vorfeld bekommen hatten, hatte keine wirkliche Aussagekraft. Wir sind im Blindflug damals nach Hamburg gefahren. Natürlich war der Ausgang trotzdem enttäuschend, auf der anderen Seite hat die Niederlage aber auch etwas bewirkt. Wirklich allen wurde vor Augen geführt, wir müssen an jedem einzelnen Tag hart für den Erfolg arbeiten. Von daher habe ich eben dieses Spiel nicht in die Vorbereitung auf das Finale einfließen lassen. Ich habe die letzten Saisonspiele der Hamburger zur Analyse genutzt.
Das Finale war hochspannend und bis zum Schluss völlig offen. Gab es einen markanten Punkt, wo Sie wussten: Wir gewinnen dieses Spiel?
Thomas Kösling: Es gab so viele verrückte Dinge in diesem Spiel … ich glaube, als Hamburg das kurze Fieldgoal verschossen hat, wusste ich aus meiner Erfahrung, ich hatte es selbst einmal als negatives Erlebnis im German Bowl erlebt, das ist jetzt ein Wirkungstreffer. Aber das Spiel war einfach pure Dramatik!
Trotz des Erfolgs, aber nun auch mit Abstand betrachtet: Würden Sie das Spiel oder gewisse Situationen heute anders coachen?
Thomas Kösling: Natürlich … es gibt ein paar wenige Plays, wo ich mit Abstand mir sicher bin, ich würde heute anders entscheiden. Es sind aber nur Kleinigkeiten und der Situation geschuldet. Die Hamburger haben schon richtig Druck gemacht.
Nach dem Finale haben hochrangige Personen von der besten Liga in Europa gesprochen. Ich finde solche Aussagen immer recht bedenklich. Wie sehen Sie als ehemaliger Spieler und junger Trainer die Liga im Vergleich?
Thomas Kösling: Ich glaube, das Finale in Düsseldorf, also vom Gesamtpacket mit dem Stadion, der Stimmung, der Dramatik auf dem Feld sowie dem hochklassigen Spiel beider Teams, war Werbung für den europäischen Football.
Ich glaube generell, dass die ELF zur europäischen Spitze gehört! Natürlich gibt es sehr starke Teams in der GFL oder im europäischen Ausland, aber die ELF ist in der breite sehr stark aufgestellt. Besser aufgestellt als andere Ligen in Europa. Hier kann jedes Team jedes Team schlagen. Die Teams sind auf Augenhöhe, auf einem hohen Level. Und genau das hat man in anderen Meisterschaften nicht!
Wenn man die letzten Wochen betrachtet, dann erfährt die ELF bei den Teams ein europäisches Wachstum. Macht es einen Unterschied, ob man gegen ein deutsches Team oder ausländisches Team spielt?
Thomas Kösling: Das Training und die Vorbereitung verändern sich natürlich nicht, aber es ist schon etwas anderes. Die komplette Stimmung im Team verändert sich, wenn man auf Reisen geht. Man ist mehrere Tage unterwegs, man rückt noch näher zusammen … die gesamte Mannschaft bildet noch mehr eine Einheit. In dem Punkt ist ein Unterschied, was das eigentliche Spiel angeht nicht. Wir haben internationale Coaches und Spieler, von daher gibt es keinen deutschen oder polnischen Stil.
Als Spieler träumt man von der NFL. Wovon träumt ein Trainer?
Thomas Kösling: Ich habe mir gerade nicht meinen Traum erfüllt, aber ich habe mir mit dieser Meisterschaft eine Vision erfüllt, eine Vision, die dieser ganze Verein hatte. Aber natürlich gibt es auch Coaches, die wie die Spieler, von Nordamerika träumen. American Football wird dort auf einem ganz anderen Niveau betrieben, schon allein Trainer an einem College zu sein, birgt einen anderen Erfahrungswert … und von der NFL müssen wir gar nicht erst sprechen. Die beste Liga der Welt!
In meinem Fall muss ich aber sagen: Natürlich wäre die Möglichkeit eine große Ehre, aber ich habe hier meinen Beruf und meine Familie. Für solch einen Schritt, müssen alle Parameter einfach passen. Und ich vermisse vor allem nichts.
Wann wussten Sie eigentlich, dass Sie Trainer werden wollen? Sie haben noch mit einem Kumpel von mir auf dem Platz gestanden, der Sie zwar als Leader beschrieben hat, aber nicht als typischen Trainer.
Thomas Kösling: Ich weiß schon wer die Quelle ist … guter Spieler übrigens!
Zurück zur eigentlichen Frage: Ich hatte es gar nicht geplant, es ist einfach passiert. Ich war zwar schon eher der Leader auf dem Feld und habe mich auch immer recht intensiv mit den Analysen befasst, aber Trainer war nicht das Ziel. Ich musste mit 31 Jahren damals aufgrund von Verletzungen aufhören und bekam mehr oder weniger direkt die Chance neuer Defensive Coordinator zu werden. Nach kurzer Bedenkzeit habe ich es gemacht … es war einfach Glück und genau die richtige Position.
Nach der Meisterschaft ist bekanntlich vor der Meisterschaft. Wann geht es bei der Frankfurt Galaxy wieder los? Und was sind die Ziele für 2022?
Thomas Kösling: Das Kribbeln hat schon im Urlaub eingesetzt und aktuell sind wir schon voll in den Planungen für die kommende Saison. Wir führen schon Gespräche mit verschiedenen Spielern, auch über die vergangene Saison, aber natürlich auch für 2022. Im Moment bauen wir also die Strukturen auf.
Natürlich fehlen auch noch ein paar Parameter von der Liga, beispielsweise wie groß die Kader sein dürfen, trotzdem sind wir schon voll in den Planungen. Fest steht: Am 12. Dezember werden wir ein öffentliches Tryout durchführen, quasi der Startschuss in die neue Saison und danach wird ordentlich trainiert! (TX)
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