Paul Casey: „Golf ist eben ein Sport, in dem es keine Dauersieger gibt“.
Nach einer überaus erfolgreichen Laufbahn als Amateur wurde Paul Casey im Jahr 2000 Golfprofi auf der European Tour. Nach seiner ersten Saison wurde der heute 46-jährige Brite mit dem „Sir Henry Cotton Rookie of the Year Award“ geehrt. Paul Casey spielte schnell auch auf der PGA Tour und feierte dort 21 Turniersiege. 2022 dann der Wechsel zu LIV Golf, die neue Golfserie die für viele Kontroversen sorgte.
Ihr Caddie John McLaren hatte wegen psychischer Herausforderungen durch die Pandemie eine Auszeit nehmen müssen und es offen kommuniziert. Dafür hatten Sie ihn zu Recht als sehr mutig bezeichnet!
Paul Casey: Er war mental erschöpft und hat bei seiner Familie die leeren Akkus neu aufgeladen. Ich applaudiere ihm, dass er nach über 30 Jahren im Job und den Herausforderungen rund um die Pandemie so ehrlich war. Es spielten damals viele Faktoren zusammen, beispielsweise der Stress, wenn er am Sonntag nach einem Turnier auf das Testergebnis warten musste, um eventuell am Ende nicht mehr zur Familie fliegen zu dürfen. Er hatte offen kommuniziert was ihn beschäftigt und ich finde das super. Ehrlichkeit ist in unserem Job keine Selbstverständlichkeit. Auf der Tour ist so etwas zu selten. Viele Spieler und Caddies kamen auf uns zu, haben ihn beglückwünscht und gefragt, ob sie mit ihm darüber sprechen dürften. Weil auch sie Probleme haben. Das ist besorgniserregend, das habe ich nicht erwartet.
Die zeitlichen Abstände sind zu kurz um es richtig zu bewerten, aber könnte dieser Schritt auch einen Wandel bewirken?
Paul Casey: Ich hoffe es. Die Entscheidung zeigt, dass wir darüber reden sollten und es kein Zeichen von Schwäche ist, wenn wir das machen. Sportler haben oft ein Problem mit Schwäche. Für viele gelten Sportstars immer noch als starke Helden, die unter Druck brillieren und denen gar nichts etwas anhaben kann. Aber das ist so weit weg von der Wahrheit. Das Einzige, was uns unterscheidet: Wir sind eben gut in einem Sport. Diese Erkenntnis hilft … und diese Erkenntnis gilt auch für andere Sportarten, wo der Druck gefühlt noch deutlich höher ist. Wenn man an die mentale Stärke denkt, die ein Fußballspieler haben muss, wenn er bei einem großen Turnier einen Elfmeter vergibt. Ich stelle mir diesen Stress brutal vor.
Bei den Porsche European Open im Jahr 2021 kehrte das Publikum nach rund 20 Monaten erstmals in Europa wieder zurück auf einen Turnierkurs. Wenn Sie sich daran erinnern: Wie haben Sie das erlebt?
Paul Casey: Natürlich war es schade, dass ich den Titel nicht verteidigen konnte. Aber ich ziehe meinen Hut vor allen, die dieses Turnier in dieser schwierigen Phase überhaupt möglich gemacht haben. Und es war brillant, dass wieder Publikum dabei sein konnte. Ich hätte aber noch mehr gebraucht … so hat es am Ende nicht ganz gereicht. Das ist eben Golf, die kleinen Details, die man nicht erklären kann. Ich bin einfach deutlich besser unter Druck, von daher brauche ich die Zuschauerinnen und Zuschauer. Ich liebe die spezielle Atmosphäre, die die Fans verströmen.
Was begeistert Sie am Golfsport als Beruf nach mittlerweile etwas mehr als zwei Jahrzehnten als Profi auf der Tour?
Paul Casey: Die Atmosphäre, die die Fans bei einem Turnier schaffen können. Golf ohne Fans ist nur eine hohle Version des Golfsports. Es ist Unterhaltung! Manchmal fühle ich mich, als würde ich als Profi eine Show zeigen. Verschiedene Golf-Events haben verschiedene Golf-Gefühle. Das ist besonders. Aber dafür müssen Menschen auf der anderen Seite der Begrenzungen stehen. Ohne Publikum hat es sich einfach nicht richtig angefühlt. Es war falsch. Dass die Fans zurück sind, unglaublich. Und die Fans sind lauter als sie vor der Pandemie waren. Ich mag das. Mein Golfspiel ist besser mit Fans. Ich profitiere vom Druck und Adrenalin.
Das klingt nicht wirklich nach zurücklehnen!
Paul Casey: Nein, ganz und gar nicht! Aber Golf ist eben auch ein Sport, in dem es keine Dauersieger gibt. Die Titelrennen sind immer sehr offen. Ein Golfer, der 5 bis 7 Prozent seiner Turniere gewinnt, ist ein Athlet für die Hall of Fame. Das heißt aber auch: Dieser große Golfer gewinnt bis zu 95 Prozent seiner Turniere nicht. Gewinnt man 10 Prozent, gehört man aber zu den fünf Besten der Geschichte! (TX)
Foto: Paul Casey 1 Copyright Porsche