Ricarda Bauernfeind: „Die Sporthilfe ist in allen Bereichen eine Unterstützung“.
Die junge Radsportlerin Ricarda Bauernfeind studiert Sport sowie Ernährungs- und Hauswirtschaft auf Lehramt und schaffte zum Jahreswechsel parallel den Aufstieg vom Canyon//SRAM Racing-Nachwuchsteam in das WorldTour-Team. Bei der Tour de France Femmes avec ZWIFT gewann die 23-jährige Bayerin eine Etappe. Beim „Sport-Stipendiat des Jahres“ der Sporthilfe steht Ricarda Bauernfeind zur Wahl.
Ricarda, Du hast mit Deinem Etappensieg und der starken Platzierung in der Gesamtwertung bei der Tour de France Femme avec ZWIFT alle Erwartungen weit übertroffen. Kannst Du das mittlerweile fassen?
Ricarda Bauernfeind: Wenn ich daran denke oder mir Videos anschaue, bekomme ich immer noch Gänsehaut. Ich brauche noch Zeit, um das zu realisieren, aber es ist ein wahnsinniges Gefühl. Dass ich einen Etappensieg einfahren kann, hätte ich mir nicht einmal für meine gesamte Laufbahn erträumt. Es muss in dem einem Moment so viel passen und dass mir das bei meiner ersten Tour de France passiert, hätte ich nie gedacht. Das ist einfach gigantisch, ist aber auch eine Bestätigung, dass sich jede einzelne Schweißperle und jede einzelne Träne für diesen Moment gelohnt hat.
Im letzten Dezember hattest Du jedoch mit zwei Bronzemedaillen bei der U23-Weltmeisterschaft schon Deine Wettkampfstärke bewiesen. Hattest Du denn damals mit diesen Erfolgen gerechnet?
Ricarda Bauernfeind: Ich habe nicht unbedingt damit gerechnet, aber natürlich geliebäugelt. Beim Straßenrennen war mein Ziel schon eine Medaille, aber da es ein Rennen im Rennen war und kein separates U23-Rennen, hätte fast alles passieren können. Meine Mannschaft ist nicht auf die U23-Wertung gefahren, sondern mein Erfolg ist eher so herausgesprungen. Beim Zeitfahren bin ich sehr offen ins Rennen gegangen und habe mich dann umso mehr über die zweite Medaille gefreut.
Auch darüber hinaus war 2022 für Dich sportlich ein sehr erfolgreiches Jahr. Was hat sich für Dich dadurch denn so verändert?
Ricarda Bauernfeind: Zum einen habe ich den Wechsel vom Nachwuchsteam ins WorldTour-Team Canyon//SRAM Racing geschafft. Zum anderen der Rennumfang, denn im Nachwuchsteam bin ich eher kleinere Rennen gefahren, ohne Druck. Das war ein wichtiger Zwischenschritt, denn der Unterschied zwischen Bundesliga und WorldTour ist riesig. Dieses Jahr habe ich mich von Anfang besser im Feld gefühlt.
Wie siehst Du generell die Entwicklungen, welche der Frauen-Radsport in den vergangenen Jahren genommen hat?
Ricarda Bauernfeind: Früher konnte man als Frau vom Radsport nicht leben. Wir Sportlerinnen sind nach wie vor, früher jedoch noch intensiver, auf alle finanziellen Förderungen angewiesen, die es nur geben kann … allen voran die Sporthilfe, aber auch Polizei, Bundeswehr und eigene Sponsoren. Mittlerweile ist es in guten Teams möglich, davon kostendeckend zu leben und sich eine Wohnung zu leisten.
Im Gegensatz zu vielen männlichen Profis studierst Du parallel zum Sport auf Lehramt. Wie meisterst Du diese Doppelbelastung?
Ricarda Bauernfeind: Im aktuellen Sommersemester schreibe ich nur noch meine Bachelorarbeit, das ist überschaubar. Mir kam die Pandemie definitiv zugute, denn alles war plötzlich online. Ich konnte vieles am Abend nacharbeiten, auch Prüfungen online im Trainingslager schreiben. Sonst ist das im Lehramtsstudium nicht möglich. Dadurch konnte ich einige Module vorziehen und mehrere gar gleichzeitig machen.
Das erfordert viel Zeitmanagement …
Ricarda Bauernfeind: Die Zeit muss man sich gut einteilen. Aber mir ist es wichtig, beides zu machen. Ich will später unbedingt Lehrerin werden, das war schon immer mein Ziel. Während der Pandemie bin ich zum Radsport zurückgekommen, denn ich wollte eigentlich schon aufhören. Mein Studium war mir so wichtig, aber ich sagte zu mir: „Probiere es doch noch einmal und vielleicht klappt es“. Es ist zeitaufwändig, und nach einem Rennen bin ich auch mal so kaputt, dass es mal nicht so viel Spaß macht, noch etwas für die Uni zu machen. Aber ich brauche diesen Ausgleich und damit meine ich sowohl die körperliche als auch die geistige Belastung.
Kommen da manchmal nicht Zweifel auf, wenn Du zwischen den Wettkämpfen lernst und andere besser regenerieren können?
Ricarda Bauernfeind: Eigentlich nicht. Dadurch, dass die Wettkämpfe im Sommer sind und ich im Sommer im Studium nicht Vollgas gebe, geht das. Bei Rundfahrten versuche ich nicht, mich noch zwischen den Fahrten mit der Uni zu stressen. Aber an Pausentagen habe ich dann ohnehin viel Freizeit und kann sie damit gut nutzen.
Welche Rolle spielt die Förderung durch die Sporthilfe und das Deutsche Bank Sport-Stipendium bei dieser Aufgabe?
Ricarda Bauernfeind: Die Sporthilfe ist wirklich in allen Bereichen eine wertvolle Unterstützung, nicht nur rein finanziell, sondern auch durch ihre Partner und deren Angebote. Das Deutsche Bank Sport-Stipendium ist eine extra Auszeichnung und besondere Hilfestellung, Sport und Studium unter einen Hut zu bringen. Es ist eben eine schöne Anerkennung für meine Leistungen in beiden Bereichen.
Angenommen, Du wirst Sport-Stipendiatin des Jahres und Dein Stipendium wird aufgestockt: Was würde sich verändern?
Ricarda Bauernfeind: Es würde mir etwas mehr Freiheit bringen. Zudem ist es eine große Auszeichnung, ganz Deutschland kann abstimmen und ich habe es unter die besten Fünf geschafft … das ist eine Ehre. Ich freue mich auf den Wahlkampf. (TX)
Foto: Ricarda Bauernfeind Copyright ASO