Bernd Neuendorf: „Wir brauchen Geschlossenheit im Fußball“.
Mit dem Pokal bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar hatte die Mannschaft von „Hansi“ Flick gar nichts zu tun. Wie schon 2018 war nach der Gruppenphase alles vorbei. Trotzdem darf der Bundestrainer die deutsche Nationalmannschaft weiterhin betreuen. Oliver Bierhoff löste nach 18 Jahren beim DFB selbst seinen Vertrag auf. Auf einer Pressekonferenz gewährte DFB-Präsident Bernd Neuendorf erste Einblicke.
Wie kam es zum plötzlichen Abschied von Oliver Bierhoff?
Bernd Neuendorf: Ich hatte noch auf dem Flughafen in Doha angekündigt, dass ich ein Gespräch mit „Hansi“ Flick und mit Oliver Bierhoff führen werde. Das waren die ersten Ansprechpartner für mich und „Aki“ Watzke nach dem Turnier samt dem Aus. Die Gespräche haben zeitnah stattgefunden, wir haben am folgenden Wochenende erst telefoniert und dann einen Termin abgemacht. Über das genannte Wochenende gab es Gespräche mit Oliver Bierhoff, die dann dazu geführt haben, dass wir uns einvernehmlich getrennt haben. Ich möchte betonen, dass die Trennung so gelaufen ist, wie ich es mir vorstelle. Wir haben sehr gute Gespräche geführt. Wir alle wissen, was Oliver Bierhoff für den DFB in den vergangenen 18 Jahren geleistet hat. Wir sind ihm zu Dank verpflichtet für die Räumlichkeiten, in denen wir hier sitzen, das war seine Idee und geht maßgeblich auf ihn zurück. Er hat große Erfolge im Fußball und für die Fußballentwicklung zu verzeichnen und ist und bleibt für mich nach wie vor jemand, der ein Ansprechpartner ist.
Und wie sah die Sachlage beim Bundestrainer aus?
Bernd Neuendorf: Es wurde gesagt, dass ich ihn zum Rapport bestellt habe oder zur Krisensitzung oder dass ich ihm keine Jobgarantie geben würde … da ist ein bisschen reingedichtet worden. Wenn ich sage, wir setzen uns zusammen, um über die vergangenen Wochen und das Abschneiden bei dem Turnier zu sprechen, dass wir eine Analyse brauchen, heißt das nicht, dass ich eine Person zur Disposition stelle. Was ich vor dem Turnier immer wieder gesagt habe, davon habe ich nichts zurückzunehmen: Ich vertraue dem Trainerteam um „Hansi“ Flick. Ich weiß, dass er ein hervorragender Trainer ist, dass er unsere Mannschaft erreicht und von seiner Ansprache her jemand ist, der sehr, sehr wichtig ist für dieses Team. Im Gespräch hat sich bewahrheitet, dass er hohes Verantwortungsbewusstsein hat, unter allen Umständen die Europameisterschaft im eigenen Land 2024 erfolgreich gestalten will und große Lust darauf verspürt. Insofern war der Eindruck, dass „Hansi“ Flick der richtige Mann an dieser Position ist, will ich unterstreichen. Wir haben vertraulich über diees Turnier gesprochen mit all seinen Facetten.
Generell müssen sich alle hinterfragen … die verantwortlichen Personen, die ganze sportliche Leitung und auch die einzelnen WM-Fahrer.
Wie kann man künftig die Fans wieder mehr begeistern?
Bernd Neuendorf: Die Begeisterung für unsere Nationalmannschaft ist weiterhin ungebrochen, sonst wäre die Enttäuschung über das frühe Ausscheiden nicht so groß in ganz Deutschland. Es fehlt aber der Funke! Wie man diesen Funken, das Feuer in Richtung EURO 2024 wieder entfachen kann, ist ein Thema, dem wir uns im Beraterkreis stellen werden müssen.
Und wie sieht es mit den Erfolgen im Jahr 2022 aus?
Bernd Neuendorf: Wir alle waren im Sommer begeistert über die Frauen-EM, bei der wir nach einem tollen Turnier Vize-Europameister geworden sind. Unsere U17-Juniorinnen sind Europameisterinnen geworden. Wir haben den Hype zudem positiv umsetzen für den Frauenfußball in Deutschland umgesetzt: Wir sind, was Marketing und TV-Lizenzen angeht, in absolut neue Dimensionen vorgestoßen. Es gibt mehr Geld für den Frauenfußball, das an die Vereine geht. Die Arbeit kann also weiter professionalisiert werden, das ist ein großer Erfolg. Wir können alles auch an den Zuschauerzahlen der Frauen-Bundesliga ablesen, die zeigen, wie die Entwicklung vorangeht und dass wir auf einem tollen Weg sind. Wir sehen auch deutlich mehr Mädchen in den Vereinen. Wir wollten den Frauenfußball weiter voranbringen, das ist uns gelungen … das möchten wir weiter fortsetzen.
Abschließen noch: Wie ist das Verhältnis DFB und DFB?
Bernd Neuendorf: Wenn wir nur ein Jahr zurückblicken und auf den DFB schauen, auf die Berichterstattung, dann ging es um Razzien, um Hausdurchsuchungen, um staatsanwaltliche Ermittlungen, um eine sehr große Unruhe im gesamten Verband, ein Gegeneinander der DFL- und DFB-Führung. Von all dem haben wir nun in den letzten zehn Monaten nichts gehört und nichts gelesen. Ich glaube schon, dass das ein großer Erfolg ist. Wir brauchen Geschlossenheit im Fußball, die haben wir in den letzten zehn Monaten sehr gut vorgelebt, was die Liga und den DFB betrifft. Diese Stabilität ermöglicht ein solides Arbeiten. (TX)