Gregor Betschon und Levi Luggen: „Man soll in den Film eintauchen“.
Die beiden Schweizer Splitboarder Gregor Betschon und Levi Luggen überraschen beim Freeride Filmfestival bis 17. November mit einem vielschichtigen Kunstwerk. „Gale“ ist mehr als ein Freeride-Film: Dieses audiovisuelle Abenteuer schafft neue Räume und soll die Phantasie ebenso anregen wie die Lust, selbst hinauszugehen. Beim Freeride Filmfestival wird der Film zur Live-Performance, der Mut erfordert.
„Gale“ ist formal ein ungewöhnlicher Film. Wie ist die Idee entstanden?
Gregor Betschon: Für uns war von Anfang an klar, dass wir ein breites Publikum ansprechen möchten. Den künstlerischen Ansatz haben wir deshalb gewählt, weil er uns mehr Möglichkeiten in der Gestaltung des Filmes bietet. Wir wollen mit dem Film die Facetten des Splitboardens aufzeigen … in einer Art und Weise, welche eine Mehrheit der Sportlerinnen und Sportler nachvollziehen kann. Die gesamten Follow-Aufnahmen im Tiefschnee sind ein wichtiges Element dafür, nahe an der Action zu sein. Zudem wollten wir im Film eine Sphäre schaffen, in die man eintauchen kann.
Levi Luggen: Die Saison 2020/21 war sehr schneereich und wir hatten gerade das Follow-Filmen für uns entdeckt. So sind wir viel auf Splitboard-Touren gewesen, um neue Sachen zu testen. Da wir ohne konkrete Storyidee gefilmt haben, sind wir am Saisonende auf einem Haufen Footage gesessen, das verarbeitet werden musste.
Sehr wichtig scheint bei eurem Konzept die Musik zu sein.
Gregor Betschon: Musik verstehe ich in Filmen als Drehscheibe für Emotionen. Sie ist Trägerin und Übermittlerin der Gefühle, lässt uns Bilder intensiver und subjektiver wahrnehmen. Wir wollten den Zuschauern mit „Gale“ unsere Erlebnisse während der Dreharbeiten vermitteln und das auf einer ehrlichen und authentischen Weise.
Levi Luggen: Für uns war klar, dass wir den Film mit einem exklusiven Soundtrack machen wollten. So kam Andreas Achermann direkt ins Spiel. Gregor und Andreas kannten sich ja bereits seit ein paar Jahren von einem am Ende ähnlichen Projekt.
Hatten die Sounds von Andreas Achermann eigentlich Einfluss auf die Wahl der Sequenzen? Oder hat er die Musik zum fertigen Schnitt komponiert?
Gregor Betschon: Andreas ist talentiert sowie erfinderisch. Aus der gemeinsamen Erfahrung wussten wir, wie ein Film vertont werden kann und haben entschieden, dass ich einen ersten Rough Cut auf Musik schneide, den Levi und ich als Referenz sehen. Mit diesem Schnitt bin ich dann mit Andreas vor dem Beamer gesessen und wir haben gemeinsam verschiedene Musiken daruntergelegt. Andreas kam mit dem „Stranger Things“-Soundtrack und der Idee vom Synthesizer. Das hat gut gepasst und wir haben direkt gemerkt, dass es dieser Stil ist, nach den wir gesucht haben.
Neben den Sounds geben die Gedichte von Joshua Truscott dem Film eine weitere ungewöhnliche Ebene. Was war die Idee dahinter?
Levi Luggen: Ein klassischer Erzähler wäre für uns nicht in Frage gekommen. Wir wollten, dass der Sprecher den Film aus seiner eigenen Perspektive kommentiert, anstatt von uns einen Text vorgegeben zu bekommen. Wir haben „Josh“ also einen Rohschnitt gezeigt, zu dem er frei heraus Gedichte geschrieben und eingesprochen hat. Das heißt, wir haben ihm absolute künstlerische Freiheit gelassen und er hat die Texte auch nicht mehr überarbeitet. Dies spiegelt genau dieses Gefühl wieder.
Es wird auch eine Live-Performance. Könnt Ihr einen Einblick geben?
Gregor Betschon: Für ein Ciné-Concert braucht es Musiker, die auch gerne etwas riskieren. Denn bei einem klassischen Konzert sind Fehler nicht gleich offensichtlich wie bei der Filmmusik. Das Synchronisieren von Bild und Ton ist anspruchsvoll und hält immer neue Challenges bereit. Andreas kreiert mit seinem Instrument ein ganz dezentes Bühnenbild und wer den Einstieg in den Film nicht findet, der kann sich einfach auf die Performance konzentrieren. Es ist auf jeden Fall eine unglaubliche künstlerische Leistung, da er die einzelnen Klänge bei jeder Aufführung neu formt.
Levi Luggen: Das Publikum kann ihm also während des ganzen Films beim Musik machen zuschauen. Am Ende des Tages erfordert solch eine Show viel Mut. (FFF/TX)