Michael Amberger: „Flag-Football ist Geschwindigkeit und Dynamik“.
Flag-Football basiert auf dem American Football, mit einem großen Unterschied. Ein Angriff darf niemals mittels Tackle an der ballführenden Spielerin oder dem Spieler unterbunden werden. Die Defensive muss versuchen, eine Flagge aus dem Gürtel der ballführenden Spielerin oder dem Spieler zu ziehen. Der Vorstandsvorsitzende von den Münich Spatzen, Michael Amberger, erklärt im Interview weitere Details.
Ich habe American Football gespielt und bin Mitgründer des ersten deutschen Vereins im Australian Football. Aber was ist bitte Flag-Football?
Michael Amberger: Flag-Football leitet sich vom American Football ab. Es wird auf einem kleineren Feld mit fünf Spielerinnen und Spielern gespielt. Der zweite große Unterschied ist der namensgebende Flaggengurt. Ein Spielzug wird beendet, wenn eine gegnerische Spielerin oder Spieler die Flagge entfernt. Dies ersetzt Tackles aus dem American Football. Die Grundprinzipien und Strategien bleiben aber zu einem Großteil beim Flag-Football erhalten.
Ohne Tackle geht doch ein Kernelement verloren?
Michael Amberger: Man muss zumindest sagen, dass sich Flag-Football dadurch sehr stark abgrenzt. American Football bietet aber noch so viele andere spannende Facetten, bei denen einige beim Flag-Football ganz wunderbar zur Geltung kommen, vielleicht sogar noch mehr wie in der Variante mit Vollkontakt. Da wäre zum Beispiel die Geschwindigkeit und Dynamik im Spiel: Dadurch, dass ein Verteidiger das Recht hat, sofort aus einer gewissen Distanz direkt auf den Quarterback zu zulaufen, muss dieser sich früh für eine Anspielstation entscheiden. Auf höherem Niveau finden dazu kaum mehr Laufspielzüge statt, alles beschränkt sich auf Pass- und Trickspielzüge. Das hat viele weite Würfe zur Folge und spektakuläre Zweikämpfe. Und da es richtig schwer ist, einem wendigen Spieler die Flagge zu ziehen, könnte sich dadurch auch jeder Spielzug zu einem Big-Play entwickeln.
Jemand, der sich nicht nur wegen des Vollkontaktes an American Football erfreut oder dafür begeistert, wird beim Flag-Football einen anderen, nicht jedoch weniger wertigen Football erleben können.
Wie sieht es mit dem generellen Wachstum in Deutschland aus?
Michael Amberger: American Football trifft seit mittlerweile vielen Jahren auf großes Interesse und bekommt medial einen immer höheren Stellenwert. Viele wollen den Sport auch gerne selbst ausprobieren. Durch den Wegfall des Vollkontaktes benötigt man für Flag-Football keine besonderen physischen Anforderungen und Equipment, was diese Variante für die Breite der Sportreibenden schließlich sehr attraktiv macht. Die gesamte Sportart ist zudem deutlich verletzungsärmer, vor allem im Bereich der neuronalen Verletzungen. Diese Aspekte tragen sehr zum Wachstum der Sportart über die letzten Jahre bei. Auch international bekommt der Sport in den vergangen Jahren immer mehr Aufmerksamkeit, wie die Weltmeisterschaft diesen Dezember in Israel oder etwa die World Games 2022 in Birmingham im US-Bundesstaat Alabama aufzeigen. Auch in diesem Jahr sind wir als noch recht junger Verein natürlich sehr stolz, einige Nationalspieler entsenden zu können und hoffen dazu, auf die deutsche Qualifikation für eben das Turnier in den USA.
Wie ist die Organisation in Deutschland geregelt?
Michael Amberger: Die Deutsche Flag-Football Liga (DFFL) organisiert unter dem Schirm des American Football Verband Deutschland (AFVD) den Flag-Football in Deutschland. Aktuell ist es die einzige Liga, wobei die Planungen für einen weiteren Ausbau auf Hochtouren laufen, um dem gesteigerten Interesse gerecht zu werden. Sogar in diesem, durch die Pandemie stark eingeschränkten Jahr, haben nahezu 50 Teams wieder um die Punkte gekämpft.
Diese Teams sind in vier Divisionen aufgeteilt. In diesen Divisionen finden über die Saison dann alle Turniere statt, an welchen die Teams teilnehmen können. Je nach Platzierung werden nach einem definierten Schlüssel die Punkte vergeben und die besten Teams qualifizieren sich für ein finales Turnier. 2021 fand das Finalturnier in Eberswalde statt und wir wurden erneut Vize-Meister. Zum zweiten Mal in Folge sind die Munich Spatzen damit Vize-Meister geworden.
Bei der Recherche habe ich gesehen, dass der Verein aber aus insgesamt zwei Mannschaften besteht, die Parallel in der Liga spielen. Warum?
Michael Amberger: Flag-Football war in München schon vor Gründung der DFFL im Jahr 2016 und vor Gründung der Munich Spatzen im 2018 über den Hochschulsport gut organisiert. So konnte sich ein Team aus Studenten, damals noch die inoffiziellen Munich Spatzen, benannt nach einer Kindergartengruppe mitten im Olympiazentrum, der bereits etablierten Liga in Österreich anschließen. Gleichzeit war jedoch immer klar, dass wir den Aufbau einer Liga in Deutschland von Beginn an mittragen wollen. Zumindest mit einer Mannschaft. Mittlerweile genießt die DFFL bei uns aber Priorität, und dann eben mit zwei Mannschaften.
Es freut uns natürlich sehr, dass wir über beide Teams eine hohe Leistungsdichte haben. Wir konnten uns als Divisions-Sieger und auch Zweitplatzierter für das finale Turnier qualifizieren. Wir profitieren hier von zwei Faktoren, die sich gut ergänzen: Auf der einen Seite haben wir sehr erfahrene Spieler, die teilweise auf international höchstem Niveau spielen. Auf der anderen Seite bietet unser Verein durch die Nähe zum Hochschulsport vielen ambitionierten Spielerinnen und Spielern eine Basis. Das wollen wir auf jeden Fall noch weiter intensivieren.
Ich muss nachfragen: Wie kam es zum Namen?
Michael Amberger: Die Geschichte der Munich Spatzen beginnt tatsächlich mehr als zehn Jahre vor der Gründung des Vereins. Einige Football-begeisterte hatten sich regelmäßig im Park zum Semikontakt Football verabredet. Die Gruppe hat sich dann über den Hochschulsport organisiert und war schon im Jahr 2010 bei den Hochschul-Meisterschaften, benannt nach dieser Kindergartengruppe. Das hat sich so etabliert, dass eine Namensänderung bei der Gründung gar kein Thema war. Dass es etwas humorvoll die martialischen Tiere konterkariert, welche die Teams mit Vollkontakt in ihren Namen haben, war ursprünglich gar nicht absichtlich. Und trotzdem ist es ein feines Beispiel für den Spirit, der diesen Verein ausmacht: Die Stimmung auf und neben dem Feld ist immer noch die der Freunde, die im Park zusammen ihrem Sport nachgehen. Allerdings nicht mehr auf schlecht gemähten Liegewiesen, sondern auf dem feinen Rasen bei Turnieren.
Dies alles zu Erhalten und für viele weitere Sportlerinnen und Sportler jeden Alters zu öffnen, wird die Kernaufgabe des Vereins in den nächsten Jahren. Über allem steht allein der Spaß an Flag-Football. (TX)
You must be logged in to post a comment.