Volker Goll: „Wir hatten dazu auch einen überragenden Torwart: Karl-Heinz Volz“.
Die Offenbacher Kickers spielten lange Zeit im professionellen Fußball mit, neben sportlichen Höhepunkten gab es jedoch auch wiederkehrende finanzielle Probleme. Heimat ist aktuell die Regionalliga, doch die Stimmung auf dem Bieberer Berg ist für mehr gemacht. Auch wenn die Anhänger auf einem merkwürdigen Platz stehen. Vor 50 Jahren gewann die unterklassigen Kickers den DFB-Pokal, als erster Verein …
Herr Goll, die Offenbacher Kickers haben eine recht bewegte Vergangenheit, wie steht es um den Verein heute? Und wie kommt der Klub überhaupt durch die weiterhin alles bestimmende Pandemie?
Volker Goll: Da haben sie Recht, die Vergangenheit ist bewegt, auch durchaus mit Erfolgen verbunden, wie der zweimaligen Deutschen Vizemeisterschaft oder dem Pokalsieg 1970. Allerdings führt Schwelgen in der Historie auch manchmal dazu, dass man die aktuelle Realität nicht wirklich annimmt und die heißt Viertklassigkeit. Was die Pandemie angeht, sind wir zumindest froh spielen zu können und haben natürlich gerade in einer Liga ohne die Fernsehgelder im Vergleich zur 1. bis 3. Liga relativ gesehen noch deutlich höhere Einnahmeverluste, weil gar keine Tagestickets verkauft werden können. Und auch in dem Bereich der Vermarktung gibt es gewisse Mindereinnahmen. Und trotzdem ist die rot-weiße Reaktion aus dem Umfeld einfach klasse: Unsere Fans und Mitglieder lassen uns nicht im Stich, wie beispielsweise mit der Aktion „Ehrensache“, an welcher sich erfreulicherweise viele der treuen Fans und Sponsoren beteiligen. Diese beinhaltet, dass man trotz der Geisterspiele keine Regress-Ansprüche für Dauerkarte oder im Voraus abgeschlossene Werbeleistung erhebt.
Pandemie, Lockdown, Shutdown hin oder her, in diesem Jahr gibt es trotzdem etwas zu feiern … vor 50 Jahre triumphierte Kickers Offenbach im DFB-Pokal. Gibt es eine Feier, natürlich nach Hygienevorschriften?
Volker Goll: Da sprechen sie einen wunden Punkt an. Wir hätten das sehr gerne getan, zum Beispiel im Rahmen eines Ligaspiels. Mit Sicherheit hätte auch noch die aktive Fanszene des OFC dazu etwas Großartiges beigetragen, aber derzeit ist an solche Feiern leider nicht zu denken. Mal sehen, wie es im Spätsommer ausschaut.
Was hat die damalige Mannschaft ausgezeichnet? Schließlich war der OFC als unterklassiges Team der klare Außenseiter.
Volker Goll: Sagen wir es mal so: Favorit waren wir nicht, aber als noch gefühlter Zweitligist und Bundesliga-Aufsteiger hat man immer eine Chance. Und die Kölner hatten uns unterschätzt und wir hatten dazu auch einen überragenden Torwart: Karl-Heinz Volz!
War dieser überraschende Triumph über den 1.FC Köln der größte Erfolg der Kickers? Wie bewerten Sie die verlorenen Endspiele um die Meisterschaft von 1950 sowie 1959? 1959 dazu gegen Eintracht Frankfurt.
Volker Goll: Ein klares Ja. Deutscher Pokalsieger ist schon was. Aber auch auf die beiden Vizemeisterschaften vor der Gründung der Bundesliga kann der OFC sehr stolz sein. Das Spiel mit der Eintracht war eine knappe Kiste, damals gab es noch keinen Videobeweis. Wer weiß, ob dann dieser umstrittene Elfmeter zu Gunsten der Eintracht in einer entscheidenden Phase des Spiels gegeben worden wäre …
Offenbach und Frankfurt ist ohnehin ein sehr schwieriges Thema. Aber sehen Sie die Eintracht heute überhaupt noch als natürlichen Konkurrenten an, oder ist es im Sinne der Regionalliga der FSV?
Volker Goll: Im wirtschaftlichen und sportlichen Sinne ist diese Frage ganz klar beantwortet, auch mit zweimaliger öffentlicher Förderung der Frankfurter Spielstätte wegen einer WM, hatten die Nachbarn die Nase weit vorn im Wettbewerb. Fanseitig lebt die alte Rivalität wie eh und je. Und der FSV … nun ja … diesen beschaulichen Stadtteilverein kann man mit den Kickers eigentlich nicht vergleichen.
Eine abschließende Frage noch zum Verein auf der anderen Seite des Mains. Wie hat man die Partys in der Europa League verfolgt?
Volker Goll: Ehrlich gesagt, so gut wie gar nicht. Natürlich bekommt man das als jemand, der im Rhein-Gebiet arbeitet und auch Freunde sowie Bekannte hat, die keine OFC-Fans sind, schon mit.
Was die Stimmung betrifft, auch der Bieberer Berg ist, wenn die Fans wieder ins Stadion dürfen, ein emotionales Tollhaus. Doch die Fans sind nicht in der Kurve, sondern stehen in der Geraden?
Volker Goll: Das ist eine der Besonderheiten unseres „Stadion am Bieberer Berg“ … und diese Spielstätte wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Das alte Stadion bei uns hatte eine der ersten überdachten Stehgeraden in Deutschland. Dieses besondere Merkmal zu erhalten war ein großer Wunsch der Fans und die haben sich mit vielen Initiativen auch dann beim Neubau des Stadions so stark dafür gemacht, dass diese wunderbare Tradition erhalten werden musste.
Was sind die kurz- und mittelfristigen Ziele des OFC?
Volker Goll: Kurzfristig der Aufstieg in die 3. Liga. Mittelfristig die Konsolidierung dort und schauen was geht. Vom Zuschauerpotenzial, vom Stadion und vom ganzen Umfeld her ist nach wie vor Vieles möglich.
Kann Darmstadt 98 ein Vorbild sein?
Volker Goll: Ja, und zwar im Glück zur richtigen Zeit haben. Unser Unglück mit einem zweifelhaften Lizenzentzug trotz sportlichem Klassenerhalt erlaubte damals dem SV Darmstadt den Verbleib in der 3. Liga, obwohl sportlich abgestiegen. Dann kam deren Lauf bis in die Bundesliga, das alles wegen dem Unglück der Kickers. Als leidgeplagter OFC-Fan hofft man jährlich, dass auch wir mal dran sind mit einem Fußballwunder.
Welche Rolle nimmt der Landespokal bei Ihren Planungen ein? Der lukrative DFB-Pokal könnte ein Sprungbrett sein … wie 1970!
Volker Goll: Er ist eminent wichtig und hat wirtschaftlich wie emotional eine sehr große Bedeutung. Gerade die Pokalspiele am Bieberer Berg … auch in der jüngeren Vergangenheit, weil es eben auch schon wieder ein paar Jahre her ist gegen die Bundesligisten … haben gezeigt, welche Berge wir in Offenbach versetzen können, wenn alle an einem Strang ziehen. (TX/LB)
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