Oscar da Silva: „Mein Traum ist es, einen NBA-Vertrag zu unterschreiben“.
Oscar da Silva zählt zu den größten Talenten im deutschen Basketball. Nach seiner College-Zeit in Stanford spielt der 22-jährige Münchner seit März 2021 beim BBL-Primus, den MHP Riesen Ludwigsburg. Im Sommer will sich der Power Forward dann seinen großen NBA-Traum erfüllen. Vielleicht sogar als Deutscher Meister! Im exklusiven „sportflash.online“-Interview geht es jedoch um wesentlich mehr.
Oscar, wie sehr hilft Dir Dein Biologiestudium bei Deiner Basketballkarriere?
Oscar da Silva: Nicht allzu viel … aber ich hoffe, dass ich es irgendwann nach der Basketballkarriere in Angriff nehmen kann.
Aber dann wirst Du doch bestimmt Trainer oder hast Du das Ziel, irgendwann Biochemiker zu werden?
Oscar da Silva: Trainer? Das bezweifle ich … aber bis dahin kann sich ja noch viel ändern. Bisher zieht es mich noch nicht in diese Richtung.
Warum denn nicht?
Oscar da Silva: Ich bin ein Typ, der verschiedene Interessen hat. Ich liebe natürlich Basketball und das wird immer ein Teil meines Lebens bleiben. Trainieren macht mir nicht so viel Spaß. Man macht das ab und zu zum Beispiel in Basketball-Camps, wenn man Kids trainiert. Ich finde da nicht so viel Freude dran als selber zu spielen.
Du hast brasilianische Wurzeln und eiferst nicht Neymar nach. Warum bist Du kein Fußballer geworden?
Oscar da Silva: Die Lektion habe ich früh gelernt. Das Ding mit dem Fußball war ein Schuss in den Ofen. Ich habe mal früher gut ein halbes Jahr in einem Verein gespielt, aber es hat mir keinen Spaß gemacht. Ab und zu war ich noch auf einem Bolzplatz, aber ich habe relativ früh mit 8 Jahren mit dem Basketball angefangen. Und dabei ist es dann geblieben.
Warst Du ein großes Kind und dementsprechend schon früh prädestiniert, Basketballer zu werden?
Oscar da Silva: Als Kind war ich schon immer einer der Größten, zum Beispiel in der Schulklasse. Aber die Proportionen waren noch ein bisschen weniger. Jetzt bin ich im Vergleich zum Rest viel größer als ich damals war.
Wann war für Dich der Zeitpunkt, als Du gemerkt hast, dass Du mit Basketball Karriere machen könntest?
Oscar da Silva: Als ich angefangen habe, in der JBBL zu spielen. Nach dem ersten JBBL-Jahr kam auch der Gedanke nach Amerika auf ein College zu gehen und die Frage, was ich mit Basketball langfristig machen will. Ich habe dann den Entschluss gefasst, anzugreifen und Energie in Richtung Sport zu lenken. Es hat sich gelohnt.
Warst Du so cool oder hattest Du Angst vor dem Schritt in die USA?
Oscar da Silva: Ich war immer relativ cool bis ich kurz da vor der Tür stand. Ich hatte jetzt keine Zweifel, aber ich war aufgeregt, weil es schon etwas Unsicheres war. Man ist von der Familie weg, hat ein neues Umfeld, ist weit weg von daheim. Das war schon ein großer Schritt. Aber es hat sich zügig gelegt, weil ich dort den Sport und meine Mannschaft hatte. Dadurch lernte ich schnell Leute kennen. Es hat sich dann wie zu Hause angefühlt.
Du hast es drüben aktiv erlebt und viele können es in Deutschland gar nicht nachvollziehen. Welche Bedeutung hat College-Sport in den USA?
Oscar da Silva: Selbst der College-Basketball ist nicht mit dem Profi-Basketball hier zu vergleichen. Die Amis lieben College-Sport, American Football sowie Basketball gleichermaßen. Teilweise haben die Playoffs im American Football oder beim March Madness im Basketball höhere Einschaltquoten als die Profiligen, weil die Leute auf diesen Amateursport stehen. Wenn man dort spielt, merkt man, wie viel Geld in den Programmen steckt. Die Universitäten haben riesige Arenen, große Facilities nur um zu trainieren. Dementsprechend ist es spaßig, auf dieser großen Bühne zu spielen.
Die Beziehung zu den Fans ist ja auch eine andere, weil die meisten ja auch Kommilitonen sind, oder?
Oscar da Silva: Von Schule zu Schule ist die Fan-Base komplett unterschiedlich. Kommilitonen und Alumni sind involviert, aber es gibt auch Leute, die sonst keinen Bezug zur Schule haben. Sie finden Gefallen an den Spielen oder der Mannschaft.
Wie hast Du in den USA den deutschen Basketball denn verfolgt? Hat er Dich interessiert oder warst Du nur fokussiert auf College-Basketball und die NBA?
Oscar da Silva: Über den deutschen Basketball habe ich mich hauptsächlich über Spiele-Statistiken informiert und habe mir von Spielen gerne Zusammenfassungen angeschaut. Ich habe Freunde aus der Jugend-Nationalmannschaft, die bei Teams in der Bundesliga spielen und da habe ich immer geguckt, wie sie so spielen.
Und irgendwann hast Du auf Deinem Sofa gesessen und Ludwigsburgs Coach John Patrick hat angerufen … was passierte Anfang März 2021?
Oscar da Silva: Die Idee kam von meinem Trainer aus München, also von Robert Scheinberg. Er meinte, dass ich noch ein wenig in der BBL spielen kann, um weiter Spielpraxis zu sammeln, bei Profis zu spielen und mich fit zu halten bis im Sommer der Draft stattfindet. Ich habe vor, im Sommer wieder nach Amerika zu gehen und mich für den Draft zu empfehlen, bei den Workouts der Teams mitzumachen. Weil von unserem Saisonende bis zum Draft am 28. Juli so viel Zeit liegt, haben wir uns entschieden, hier noch mal zu spielen. Ich habe hier eine super Infrastruktur, eine Halle, Trainer, Physios. Diese Sachen hätte man sonst bezahlen müssen, wenn ich in Amerika geblieben wäre. Dazu kann ich hier Profiluft schnuppern und mich an einen neuen Spielstil gewöhnen. Außerdem bleibe ich im Wettkampfrhythmus.
War denn Ludwigsburg Deine einzige Option?
Oscar da Silva: Es war eine von mehreren Optionen, aber es hat einfach alles gepasst. Ich passe von der Position und vom Spielstil hier gut rein. John Patrick hat ja auch in Stanford studiert. Noch dazu ist Ludwigsburg auf dem ersten Platz in der BBL, da gibt es wirklich nicht viel zu meckern.
Wie waren die allerersten Tage in Deutschland? Wie sehr musstest Du Dich umstellen? Oder ist das alles ganz einfach, wenn man so einen Basketball-IQ und so viel Talent hat wie Du?
Oscar da Silva: Es ist schon eine Umstellung. Ich bin immer noch dabei, viele Sachen zu lernen. Der Sprung zum Profi ist schwieriger als ich dachte. Das Spiel und die Entscheidungen geschehen schneller. Dazu spielt man gegen gestandene Männer und nicht mehr gegen 18, 19, 20-jährige. Das ist dann physisch ein großer Unterschied zum College-Basketball.
Du musstest Dich also wieder hinten anstellen …
Oscar da Silva: Ganz genau. Das war mir aber bewusst. Das war sogar einer der Gründe, warum es für mich interessant ist. Es ist sehr cool, wieder niedriger in der Rangordnung zu stehen, von anderen Leuten lernen zu können. Es war in Stanford andersrum der Fall, dass die jüngeren Jungs von mir gelernt haben. Es ist einfach eine super Chance für mich, mich als Basketballer weiter zu entwickeln.
Saugst Du alles auf wie ein Schwamm und machst alles alleine für Dich klar oder gibt es bei den MHP Riesen jemanden, von dem Du Dir Ratschläge holst?
Oscar da Silva: Beides. Hier sind alle wirklich sehr hilfsbereit. Vor allen von älteren, routinierteren Spielern wie Tremmell Darden, Andrew Warren, Jamel McLean oder WoBo hole ich mir Tipps. Auch die jüngeren Spieler wie Lukas Herzog oder Desi Rodriguez stehen immer mit Rat und Tat an meiner Seite. Sie haben mir alle die Anpassung im Umfeld einfacher gemacht.
Du bist von außen in ein System gekommen, was erfolgreich ist. Ludwigsburg ist Tabellenführer. Hast Du in der Kürze der Zeit feststellen können, warum es so gut funktioniert, was das Geheimnis des Erfolges ist?
Oscar da Silva: Es ist die Teamchemie. Die Jungs passen sehr gut zusammen und es liegt ihnen etwas am gemeinsamen Erfolg. Ich war sofort integriert, die Spieler haben gemerkt, dass ich helfen kann, Spiele zu gewinnen. Die Stimmung stimmt.
John Patrick hat ja auch in Stanford studiert. Da habt ihr eine Gemeinsamkeit. Was ist Dein Coach für ein Trainer?
Oscar da Silva: Er ist ein sehr guter Basketballtrainer und sehr anspruchsvoll. Es ist nicht einfach, bei ihm erfolgreich zu spielen, aber ich lerne sehr viel. Der Erfolg gibt ihm natürlich Recht; letztes Jahr im Finale, dieses Jahr Tabellenführer. Es ist cool für so einen guten Trainer zu spielen. Nach vier Jahren mit dem gleichen Trainer ist es mal wieder gut, neue Meinungen und neue Eindrücke zu kriegen.
Du hast gesagt, dass Du im Sommer wieder in die USA gehst. Dann vielleicht als Deutscher Meister?
Oscar da Silva: Hoffentlich! Zuzutrauen wäre es uns auf jeden Fall.
Die Berliner und dann auch die Münchener werden in den Playoffs nicht mehr die Euroleague-Belastung haben. Werden sie in der BBL stärker und sind die Favoriten oder habt ihr so eine breite Brust, dass ihr an den Titel glaubt?
Oscar da Silva: Während der ganzen Saison war es für Berlin und München eine zusätzliche Last aufgrund des vollen Spielplans. Diese beiden Teams gilt es dann zu schlagen. Ich mache mir keine Sorgen. Keiner aus der Mannschaft hat Angst gegen eine der beiden größeren Mannschaften zu spielen. Wir als Team nehmen diese Herausforderung gerne an.
Ist man eigentlich lieber Jäger oder Gejagter?
Oscar da Silva: Jäger! Jetzt sind wir die Gejagten, aber als Tabellenführer kann man trotzdem Jäger sein. Wir gehen in jedes Spiel mit der Einstellung hinein, dass wir uns um uns kümmern und unseren Basketball spielen. Es ist unser Schicksal!
Es ist ein spannendes Jahr für Dich. Was ist im Sommer Dein Traum?
Oscar da Silva: Mein Traum ist es, einen NBA-Vertrag zu unterschreiben. Ich habe mir noch keine Gedanken gemacht, wo es sein soll. Das ist mir auch in erster Linie nicht so wichtig. Ich möchte idealerweise natürlich in einem NBA-Team landen, das charakterlich und von den Werten der Mannschaft zu mir passt.
Wen von den Deutschen, die aktuell in der NBA spielen, beobachtest Du am meisten?
Oscar da Silva: Maxi Kleber ist ein super Beispiel. Er ist über Europa in die NBA gegangen und hat sich dort gut etabliert. Er ist vom Spielertyp, die Art von Spieler, die ich anstrebe zu sein. Da habe ich noch Arbeit vor mir und kann mir vorstellen, dass ich so eine ähnliche Rolle für ein NBA-Team ausfüllen kann. Mir gefällt wie er spielt und wie er in der NBA eine Nische gefunden hat.
Welche NBA-Stars hattest Du als Poster in Deinem Zimmer hängen?
Oscar da Silva: Kevin Durant war und ist immer noch mein Lieblingsspieler. Von dem kann man viel lernen und viel abschauen.
War das der einzige, den Du als Poster hängen hattest?
Oscar da Silva: Nein, ich hatte noch ein LeBron James-Poster im Zimmer hängen. Es gab immer Poster, wie er fiese Dunks rausgehauen hatte. Von Kobe Bryant hatte ich mal eins. Das sind so die Jungs, die mir damals gefallen haben.
Hast Du Kontakt mit Bundestrainer Henrik Rödl?
Oscar da Silva: In meiner Zeit in Amerika haben wir immer mal wieder geschrieben. Das war nicht besonders regelmäßig. Ich hoffe jedoch, dass ich in Zukunft wieder mehr Kontakt mit ihm haben werde und mit der Nationalmannschaft.
Dieses Jahr wirst Du wahrscheinlich nicht den Olympia-Traum verwirklichen können. Du bist ja noch jung …
Oscar da Silva: Auf den großen Positionen ist Deutschland sehr gut besetzt mit älteren, erfahreneren Spielern. Das wäre ein absoluter Traum für mich, bei den Sommerspielen mitzuspielen, aber für Tokio bin ich leider noch nicht richtig auf dem Radar. Ich hoffe, dass ich das in den nächsten Jahren noch ändern kann.
Wie viele Stunden beschäftigst Du Dich in der Pandemie mit Basketball?
Oscar da Silva: Ein Großteil der Zeit verbringe ich schon mit Basketball. Mal ins Städtchen gehen zum Kaffeetrinken fällt ja weg. Ich habe ab und zu Besuch von meinen Eltern, telefoniere mit Freunden aus Amerika. Ich habe noch eine ganz gute Balance. Außerdem habe ich jetzt eine eigene Wohnung, da muss ich den Haushalt schmeißen, Staubsaugen und waschen … Der Tag ist schon recht gut ausgefüllt.
Aber im Moment ist Biochemie und Biophysik nicht mehr Dein Thema, oder?
Oscar da Silva: Ich schreibe gerade noch an meiner letzten Arbeit. Das Thema wird Anfang Mai abgehandelt sein. Dann kann ich Biochemie zur Seite legen… (OD)
You must be logged in to post a comment.