Franz Anton: „Wir sind Konkurrenten, aber keine Erzfeinde“.
Zweimal wurde Franz Anton Weltmeister im Kanuslalom und war bei Olympia 2016 in Rio de Janeiro dabei. Nebenbei gründete der 31-jährige Athlet ein kleines Start-up. Mit den Skills, die man sich als Profi antrainiert um erfolgreich zu sein, will der will der zweifache Kanu-Europameister sein Unternehmen zukünftig erfolgreich am Markt platzieren. Für Franz Anton sind Sportler die richtigen Unternehmer …
Franz, aktuell fängt man Interviews mit Sportlern fast immer mit der gleichen Frage an: Mehr als zwölf Monate Pandemie, wie hast Du diese Zeit verbracht?
Franz Anton: Ich kann der Sache auch etwas Positives abgewinnen. Mit über 160 Reisetagen ist man nicht so viel zu Hause. Und jetzt war ich fast ein Jahr komplett daheim. Mittlerweile hat sich sogar meine Frau mal gewünscht, dass ich wieder ins Trainingslager gehe … und ich fand es toll, dass ich in Leipzig mal die Jahreszeiten miterlebt habe. Und dass ich expliziert im Training an ganz feinen Dingen arbeiten konnte. In der Wettkampfphase hat man dafür keine Zeit, weil man immer nur von Wettkampf zu Wettkampf hetzt. Mit dem Lockdown, ohne Wettkämpfe hatte ich die Möglichkeit, an diesen Dingen zu arbeiten. Das fand ich super.
Hast Du Dich denn in dieser Zeit auch selbst reflektiert?
Franz Anton: Man sucht sich Aufgaben. Ich habe mich mehr mit unserem Garten beschäftigt und ich habe mich auf andere Projekte gestürzt, die man sonst nicht machen kann. Mit der 15 Kilometer Einschränkung hat man gesehen, wie schön es hier ist. Es muss nicht immer die Reise nach Südafrika sein.
Was bedeutet die Pandemie für den Kanusport?
Franz Anton: Wir hatten keine Wettkämpfe, was mir für alle Leid tut, weil wir dafür trainieren. Das ist das Ziel, warum wir uns im Winter bei Eiseskälte auf das Wasser setzen und mit unserem Boot paddeln. Jugendliche, die eigentlich ihre Altersklasse wechseln, haben ein Jahr verloren. Das Schöne an unserem Sport ist, wenn du in der Nähe einen Fluss hast und es fließt ein bisschen Wasser, dann kannst du das Boot nehmen, dich reinsetzen und loslegen … Wenn du jedoch eine Hallensportart ausführen würdest, dann waren die Türen zu. Deswegen hoffe ich, dass nicht alle den Spaß an der Sache verloren haben. Mit dem Verband haben wir versucht, den Nachwuchs mit Online-Lösungen durch Challenges bei der Stange zu halten. Ich persönlich konnte mich mit der Verschiebung von Olympia sehr gut arrangieren, weil ich jetzt die Zeit habe, mich noch besser vorzubereiten. Es gab aber Kollegen, die schon qualifiziert und heiß waren. Nach der Absage war es für sie schwierig, wieder die Kurve zu kriegen, sich wieder zu motivieren.
Das A und O im Sport sind aber Wettkämpfe. Die Wettkampfpraxis ist wichtig. Vor ein paar Wochen warst Du dann mal wieder bei einem solchen Wettkampf in La Réunion. Wie war das nach einer so langen Zeit, die Konkurrenten aus der Weltspitze zu sehen, sich auszutauschen und wieder einen Wettkampf zu gestalten?
Franz Anton: Das war für mich überhaupt keine Umstellung. Es war irgendwie so, als hätte es dieses Jahr nie gegeben. Ich hatte sofort den Fokus und wusste, worauf es gleich wieder ankommt. Es ist der erste Wettkampf des Jahres. Wir sind noch mitten im Training, haben noch gar nicht die Schnelligkeit trainiert und sind noch in der Ausdauerphase. Man ist da noch langsamer in der Bewegung und achtet darauf, dass man schön paddelt und nicht besonders kraftvoll. In der Trainingsphase macht man eher lange Strecken und nicht diese schnellen, kurzen Strecken. Deswegen war ich mit meinem Abschneiden zufrieden, auch wenn es keine Medaille war. Ich wusste zumindest, die Richtung, die wir im Winter gegangen waren, war die richtige.
Wie war es wieder die Konkurrenten zu sehen?
Franz Anton: Das letzte Mal hatten wir uns im Februar 2020 in Australien getroffen. Man hatte sich verabschiedet und natürlich nicht das Szenario vor Augen, dass man sich erst über ein Jahr später wieder sieht. Das war ein nettes Willkommen. Wir sind Konkurrenten, aber keine Erzfeinde. Wir haben einen freundschaftlichen Austausch. Das ist wie Freunde treffen.
Jetzt ist für viele Sportler die Teilnahme an den Sommerspielen ein Traum. Nur alle vier Jahre gibt es die Möglichkeit, so etwas zu erleben. Du warst 2016 in Rio dabei. Hat Dir das nichts ausgemacht, dass Tokio 2020 abgesagt wurde?
Franz Anton: Es war der 16. März 2020. Ich war in London im Trainingslager, da ging der erste Lockdown in Deutschland los. Wir mussten noch zusehen, dass wir aus London rauskamen, bevor sie die Grenzen dicht machen. In diesem Moment haben wir gesagt, dass dieses Jahr nichts mehr stattfindet. Wir haben sofort den Trainingsplan geändert, denn wir wussten, dass es frühestens am Ende des Jahres wieder Wettkämpfe geben würde, und ruhiges Training zur Erholung des Körpers gemacht. Vor den Spielen trainiert man noch härter, man will noch mehr erreichen. Dann gesteht man sich nicht ein, dass man eine Pause braucht. Deswegen war diese Pause sogar auch irgendwie willkommen.
Deine Meinung: Sollte man die Spiele in Tokio stattfinden lassen?
Franz Anton: Die Japaner kann ich verstehen. Das ist ein Riesenereignis, zu dem man die ganze Welt einlädt. Allerdings ist das Thema „Corona“ in der ganzen Welt immer noch präsent. Wer mal in Tokio war, der weiß, wie eng es dort zugeht und wie viele Menschen sich auf kleinster Fläche aufhalten, dann würde ich der Sache auch kritisch gegenüberstehen. Ich bin nur Athlet, muss keine Lösung präsentieren. Ob mit Zuschauern oder als eine Art großer Gummiball, wo wir niemanden an uns ranlassen, ich könnte mit beiden Entscheidungen leben. Wenn man Menschenleben aufwiegt gegenüber einem sportlichen Großereignis, dann würde ich mich immer dafür entscheiden, dass deutlich weniger Schaden angerichtet wird anstatt ein paar Medaillen zu vergeben.
Die Zeit hast Du auch für Dein Start-up genutzt. Was ist „Picturebuddy“?
Franz Anton: Picturebuddy wird eine Online-Plattform sein, auf der man im Vorfeld einer Veranstaltung Fotografen buchen kann. Das Problem von Randsportarten ist, dass man von größeren Fotoagenturen erst gar nicht besucht wird, weil auch die Teilnehmerzahl klein ist. So kommen wir nicht in die Medien, die Nachfrage ist für Fotografen vermeintlich kleiner und man kann damit aus finanzieller Sicht weniger Geld verdienen. Das will ich ändern.
Was war der Impuls für diese Idee? Wie bist Du auf diese Idee gekommen?
Franz Anton: Meine Frau und ich haben eine Leidenschaft für Fotografie. Da ich bei den Wettbewerben trotz Erfolgen keine Fotos von mir hatte und Rebekka durch ihr Studium mit auf die Wettkämpfe kommen konnte, hat sie vor Ort fotografiert. Sie hat aber nicht nur mich, sondern auch die anderen Teilnehmer fotografiert. Und das hat jedem natürlich gefallen, weil sie tolle Fotos von sich hatten und diese für Instagram, Webseite oder für die Presse gut benutzen konnten. Das klappt aber nur, wenn die Kosten für so eine Reise überschaubar bleiben. Wir haben gesagt, wenn Rebecca mit nach Australien oder zur Weltmeisterschaft nach Rio soll, dann zahlt jeder, der Fotos haben will, einen pauschalen Betrag, um diese Reisekosten zu decken. Das wurde sehr gut angenommen.
Warum sind Sportler gute Unternehmer?
Franz Anton: Wir haben gelernt, an kleinen Zielen zu arbeiten, um große Ziele zu verfolgen. Wir haben enorme Ausdauer, um durchzuhalten und nach Niederlagen wieder aufzustehen. Die wenigsten erleben Drucksituationen wie Wettkämpfe. Ich habe 15 Wettkämpfe durchschnittlich im Jahr. Ich weiß nicht, wie viele Menschen im Jahr 15 Situationen haben, von denen die Zukunft abhängt. Wenn ich mich nicht für die Spiele qualifiziere oder nicht mehr in die Nationalmannschaft komme, dann fällt mir die Förderung weg und der Leistungssport ist dann zu Ende für mich. Das ist der Druck, den man im Kopf hat und aushalten muss. Das ist für Geschäftsinteressen wichtig, da man in ähnliche Situation geraten wird.
Was war für Dich beim Unternehmensaufbau die größte Herausforderung?
Franz Anton: Mein Tag hat auch nur 24 Stunden … ich habe ein sehr gutes Team um mich gebaut. Wir teilen uns die Aufgabenbereiche, die wir gut können. Für die schwächeren Bereiche holen wir uns Hilfe oder wir probieren es einfach. Das macht auch den Leistungssportler aus, den Mut zu besitzen, sich in Sachen rein zu stürzen ohne direkt zu wissen, ob es klappen wird.
Im Sport hat man Deadlines, welche durch Wettkämpfe und Meisterschaften vorgegeben sind. Wie ist die Zielsetzung als Unternehmer?
Franz Anton: Wir haben uns auch einen Zeitplan aufgestellt. Erst unter Druck wird die Kohle zum wunderschönen Diamanten! Wenn man sich einen Zeitraum setzt, dann muss man das auch in diesem Zeitraum leisten.
Die Deutsche Sporthilfe veranstaltete mittlerweile eine Pitch für Sportler mit Ideen für Start-ups. War das wie ein Wettkampf?
Franz Anton: Das war noch schlimmer! Ich war noch mehr aufgeregt. Wettkämpfe habe ich schon seitdem ich klein bin. Am Start weiß ich, was ich vorher trainiert habe. In diesem Bereich habe ich noch nicht diese Routine wie beim Sport. Es war ein sehr guter Test, um zu erfahren, ob unsere Idee ankommt.
Was ist denn nun Euer Ziel für „Picturebuddy“?
Franz Anton: Unser Ziel ist, dass wir irgendwann damit unseren Lebensunterhalt beziehen können.
Und wie lange sehen wir Dich noch auf dem Wasser?
Franz Anton: Ich bin 31 und denke bis 2024/2025 würde ich das noch körperlich mitmachen wollen und hätte auch die Motivation, jeden Tag im Winter ins Wasser zu quälen, auch wenn es kalt ist. Olympische Spiele in Paris klingt auch schön! Dann haben wir vielleicht kein Corona-Virus mehr und dann ist es so nah, dass dann auch meine Familie hinkommen kann und es live sehen kann. Und gerade bei solchen Ereignissen wie Olympia wäre das ein Traum.
Also dann, Paris, Goldmedaille, am Rand der Strecke sind 50 Fotografen, die über „Picturebuddy“ direkt zu dir gekommen sind …
Franz Anton: Deine Worte in Gottes Ohr! Da würde ich sofort einschlagen! (OD)
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