Dorothea Wierer: „Ich gehe immer auf die Strecke und gebe alles“.
Dorothea Wierer gehört seit Jahren zur Weltspitze im Biathlon, doch erst 2019 holte die Südtirolerin im Massenstart ihr erstes Gold bei einer Weltmeisterschaft. Damit war die 31-jährige Bruneckerin die erste italienische Weltmeisterin im Biathlon. Bei der Heim-WM in Antholz folgten 2020 die WM-Titel in der Verfolgung und im Einzel. Dazu der Gesamtweltcup 2018/19 und 2019/20 … fehlt nur noch Gold bei Olympia?
Dorothea, darf man Dir zur Saison 2020/21 gratulieren, immerhin hast Du mit Lisa Theresa Hauser den ersten Platz im Einzel-Weltcup belegt, oder ist es mit Blick auf die letzten beiden Saisons ein eher unbefriedigender Abschluss?
Dorothea Wierer: Es war eine schwierige und komplizierte Saison aufgrund der uns begleitenden Pandemie, aber ich bin zufrieden. Ich habe wie immer alles gegeben. Ich bin mit wenig Training auf Schnee in den Weltcup eingestiegen, weil Reisen ein Problem war. Ich habe dann ganz allmählich meine Form gefunden, deshalb denke ich, dass der Sieg im Einzel-Weltcup verdient war.
Du hast den Gesamtweltcup 2018/19 und 2019/20 gewonnen. Du hättest also den Hattrick feiern können … Woran lag es in dieser Saison?
Dorothea Wierer: Ich wusste schon vor der Saison, dass es sehr schwierig werden würde, den Hattrick zu machen. Meine Konkurrentinnen kämpfen auch immer und sind nicht zu unterschätzen. Aber wie schon gesagt: Ich gehe immer auf die Strecke und gebe alles. Am Ende muss man dann das Ergebnis akzeptieren und sich auch bewusst sein, dass es viele Faktoren gibt, die ein Ergebnis im Biathlon beeinflussen.
Liegt Dein Fokus für die kommende Saison auf dem Gesamtweltcup, oder aber auf Olympia in Peking? Schließlich fehlt Dir das Gold bei Olympia noch …
Dorothea Wierer: Viele Leute sagen mir, dass mir Gold bei Olympia noch fehlt. Das es das letzte fehlende Puzzle in meiner Karriere sei. Aber ich will mich davon nicht bestimmen lassen. Ich werde die nächste Weltmeisterschaft sowie die Olympischen Winterspiele in Peking so angehen, wie ich es immer mache und wie immer mein Bestes geben. Am Ende wird Bilanz gezogen und wir blicken auf die Ergebnisse.
Wie sieht generell Dein Fahrplan für Olympia 2022 so aus? Direkt gefragt: Wie lange darfst Du das Gewehr und die Ski jetzt in der Ecke abstellen, einfach mal nichts machen? Und ab wann geht das Training wieder los?
Dorothea Wierer: Leider ist die Pause am Ende dieser Saison recht kurz. Ein paar Wochen werde ich pausieren und dann fängt man schon an, an die nächste Saison zu denken. Im letzten Jahr habe ich fast einen ganzen Monat zu Hause verbracht, völlig abschalten können. Aber das lag nur daran, dass es den Lockdown gab. Jetzt habe ich die Osterfeiertage mit meinem Mann und meiner Familie verbracht. Für ein paar Wochen werde ich den Stecker ziehen. Kein Biathlon. Dann werde ich wieder mit dem Radfahren anfangen, was ein großartiges Sommertraining ist, und mit SUP, das ich kürzlich entdeckt habe und wirklich genieße.
Dank meiner Liebe zum Wintersport kenne ich Deine Heimatregion ein wenig und ich liebe die dortige Küche. Mein Problem, ich komme aus Südtirol immer mit 3 Kilogramm mehr zurück und muss mich dann für meinen Sport in meine Gewichtsklasse zurück schwitzen. Musst Du einen Essensplan befolgen?
Dorothea Wierer: Ich versuche schon, auf meine Ernährung zu achten, aber nach dem Ende einer Saison lasse ich es auch einmal etwas schleifen. Ein paar Aperitifs mit Freunden, ein gutes Nudelgericht, oder einfach nur Knödel.
Was muss man in Südtirol wirklich einmal gegessen haben?
Dorothea Wierer: Wir genießen hier in Südtirol eine ausgezeichnete Küche, weil die Produkte von hoher und frischer Qualität sind. Die Nudelgerichte sind köstlich, ich persönlich liebe die Suppen, die mein Mann Stefano zubereitet, oder die Spätzle … Ich bin verrückt nach unseren Äpfeln, ich esse sehr viel davon … ich mag unseren Speck und dann habe ich auch noch eine große Schwäche für Süßes, vom Strudel bis zur Schokoladen- und Buchweizentorte.
Was für Trainingsumfänge hast Du so in einer Saisonvorbereitung? Wie ist die Gewichtung zwischen Kraft- und Ausdauertraining sowie Schusstraining?
Dorothea Wierer: Es gibt verschiedene Phasen der Vorbereitung. Am Anfang der Saison arbeitet man an der Kraft und der Ausdauer, dann kommen nach und nach die Wiederbelebungen der Automatismen. Das Schießtraining hingegen bleibt eine Konstante im Training, über die Saison. Man muss es trainieren, viel dafür arbeiten.
Du bist bekannt, und wahrscheinlich unter der Konkurrenz gefürchtet, für Dein schnelles Schießen. Wie kann man so was denn trainieren?
Dorothea Wierer: Eine Menge an Training. Hohe Konzentration und geistige Arbeit. Natürlich zählt im Laufe der Jahre auch die Erfahrung. Die Wettbewerbe werden vor allem am Schießstand entschieden!
Wahrscheinlich eine relativ naive Frage: Hat Dein Gewehr einen Namen?
Dorothea Wierer: Nein, es hat keinen Namen. Aber es wäre vielleicht eine nette Idee, ihm einen Namen zu geben. Schließlich besteht eine regelrechte Hassliebe zu meinem Gewehr. Ich werde einmal darüber nachdenken …
Hörst Du Musik, wenn Du Deine vielen Kilometer abspulst?
Dorothea Wierer: Ich höre gerne Musik beim Training, sie leistet mir Gesellschaft und ermöglicht es mir, mich zu konzentrieren.
Wie stimmst Du Dich auf einen Wettkampf ein? Hast Du gewisse Rituale?
Dorothea Wierer: Ich bin nicht abergläubisch, ich habe keine Rituale. Aber ich gehe gerne das Rennen vor dem Start einmal durch, um sicherzustellen, dass alle Details stimmen. Natürlich gibt es auch gewisse Punkte, die sich erst im Rennen ergeben.
Hängen Dir Fehler in einem Wettkampf noch länger nach?
Dorothea Wierer: Nach einem Rennen versuche ich meinen Geist zurückzusetzen. Ich denke dann schon an das nächste Rennen. Wenn man zu viel über seine Fehler nachdenkt, kommt man nicht mehr heraus.
Leider ist die Pandemie immer noch Thema und der Biathlonsport ist sehr viel unterwegs. Wie hat sich der Biathlonsport in dieser Krise so geschlagen?
Dorothea Wierer: Die IBU hat die ganze Situation mit der Einführung von „Blasen“ zum Schutz der Athletinnen und Athleten sowie des gesamten Personals sehr gut gemeistert. Sogar die Preisverleihungen fanden immer im Hochsicherheitstrakt statt. Sie haben eine schwierige Situation sehr gut gemanagt. Außerdem haben sie den Weltcup-Kalender in kleine Etappen unterteilt, um das viele Reisen zu vermeiden.
Was denkst Du ganz persönlich über die Hygienekonzepte?
Dorothea Wierer: Es ist nur fair, die von den Regierungen auferlegten Protokolle und Bedingungen einzuhalten. Gesundheit ist zu wichtig, und Sport in einer Zeit der globalen Pandemie zu treiben, ist für mich persönlich ein echtes Privileg. Es ist also nur fair, dass alles getan wird, um so sicher wie möglich diese Zeit zu bestehen.
Abschließend Dorothea: In Deutschland haben in den letzten Jahren sehr viele Biathletinnen und Biathleten ihr Karriereende verkündet, wie lange planst Du noch dabei zu bleiben? Und hast Du schonen Pläne für die Zeit danach?
Dorothea Wierer: Ich habe mir nie ein Datum für mein Karriereende gesetzt, ich habe immer betont, dass ich von Jahr zu Jahr allein nach meiner körperlichen und sportlichen Verfassung entscheiden würde. Und wenn dann die Zeit kommt, dass es genug war, werde ich die Entscheidung akzeptieren und mich dann etwas anderem widmen. Ich werde in meiner Zukunft sicherlich Kinder haben. (TX)
Foto:Dorothea Wierer und Web Copyright Andrea Vidotti
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