Isaiah Hartenstein: „Ich will in der NBA konstant starten, immer besser werden“.
Isaiah Hartenstein hatte als Baby wahrscheinlich keinen Schnuller, sondern direkt einen Basketball in der Wiege. Kein Wunder, sein Vater Florian war ein erfolgreicher Basketballspieler in der BBL. Mittlerweile spielt der 22-jährige Deutsch-Amerikaner in der NBA bei den Cavaliers in Cleveland. In der neuen Folge „Talkin’ Basketball“ spricht der Center mit unseren „sportflash.online“-Reportern nicht nur über Jägerschnitzel.
Isaiah, wo erwischen wir Dich gerade?
Isaiah Hartenstein: Ich bin gerade mit dem Training fertig. Jetzt kümmere ich mich ein bisschen um meinen Körper. Jetzt rede ich endlich mal wieder deutsch…
Wie sprichst Du denn mit Deinem Vater?
Isaiah Hartenstein: Englisch. Das Witzige ist, dass ich auch mit einigen ehemaligen Mitspielern in Deutschland englisch rede. Wie zum Beispiel mit Kostja Mushidi. Es ist dann immer ein bisschen schwierig, wieder in Deutsch zu reden.
Fühlst Du Dich mehr als Amerikaner oder als Deutscher?
Isaiah Hartenstein: Beides … durch die Zeit in Quakenbrück und die Zeit bei der Nationalmannschaft ist es eine Mischung geworden. Deutschland ist auf jeden Fall auch Heimat.
Was fehlt Dir besonders aus Deutschland, wenn Du in den USA bist?
Isaiah Hartenstein: Am meisten Jägerschnitzel!
Dein Vater ist ja auch drüben. Er war mit Dir in Denver und hat uns verraten, dass er auch für Dich kocht. Macht er denn auch mal Jägerschnitzel? Oder, so wie wir ihn kennen, eher Burger und Rinderfilet?
Isaiah Hartenstein: Er hat sich schon entwickelt. Es gibt mehr Gesundes … als ich jünger war, gab es oft Burger und Pancakes. Er hat sich ein bisschen verbessert …
Du bist in Eugene geboren. Wie ist diese Stadt? Wann warst Du zuletzt da?
Isaiah Hartenstein: Es ist eine schöne Universitätsstadt. Eugene ist sehr grün. Vor sechs Jahren war ich zuletzt da. Ich habe kaum Zeit, mal nach Eugene zu kommen, denn im Sommer hat man die Zeit bei der Nationalmannschaft. Und wenn man in der NBA jünger ist, dann muss man auch früher zum Team. Auf jeden Fall ist und bleibt Eugene immer noch Heimat für mich.
Theresa, Deine Mutter, hat mal gesagt, dass es bei Dir und Deinem Vater von morgens bis abends nur um Basketball geht. Es gab kein anderes Thema?
Isaiah Hartenstein: Entweder haben wir Basketball-Videospiele gespielt, NBA 2K oder über Basketball geredet. Und draußen hatten wir auch einen Korb. Es ging bei uns immer nur um Basketball. Mein Vater hat mir auch andere Sportarten gezeigt, um mir die Chance zu geben, auch etwas anderes zu machen, doch ich bin immer wieder zurück zum Basketball gekommen.
Du bist ja ein Riese mit Deinen 2,13 Meter. Weißt Du noch, wie groß Du als Baby warst?
Isaiah Hartenstein: Ich weiß zumindest, dass ich 13 Pounds, um die 6 Kilo, wog. Ich glaube aber, dass ich das zweitgrößte Baby im Krankenhaus aller Zeiten war.
Dein Vater war in den Jugendmannschaften auch Dein Trainer. Gab es auch Konflikte oder war es harmonisch?
Isaiah Hartenstein: Hier und da hatten wir mal Probleme. Aber es ging eigentlich um gute Sachen. Er wollte immer, dass ich meine Ziele erreiche und er hat mir geholfen, auch wenn ich es anfangs nicht verstanden habe. Er hat mir im Spiel immer ein Viertel gegeben, in dem ich nur passen durfte. Damals habe ich das nie verstanden, da ich immer punkten wollte. Besonders jetzt in der NBA merke ich, wie sehr er mir das geholfen hat. Jetzt ist das Passen einer meiner Stärken.
War Dein Vater im Training zu Dir härter als zu den anderen Jungs?
Isaiah Hartenstein: Auf jeden Fall. Er wollte, dass die anderen nicht denken, ich bekäme Vorteile, nur weil er mein Vater ist. Er kannte meine Ziele und musste mir gegenüber auch strenger sein. Als ich in Quakenbrück war, hat er mir in den Spielen viele Freiheiten gegeben, was mir sehr geholfen hat. Und ich durfte auch dank des Sponsors immer in die Halle.
Erinnerst Du Dich noch an den 1. Februar 2015?
Isaiah Hartenstein: War es in Bremerhaven?
Genau … Dein erstes BBL-Spiel. Hast Du da noch Erinnerungen?
Isaiah Hartenstein: Ich weiß noch, dass ich sehr nervös war. Mehr Erinnerungen habe ich eigentlich nicht mehr.
Dann bist Du mit nicht mal ganz 18 Jahren nach Litauen zu Zalgiris Kaunas gegangen. Du gehst in ein Land, wo Du die Sprache nicht sprichst und deren Schrift nicht lesen kannst. Wie war das für Dich?
Isaiah Hartenstein: Sportlich war es schwer, weil ich eine Rückenverletzung hatte und fast acht Monate raus war. Es gab für mich bei diesem Euroleague-Team viele Ups and Downs. Ich habe dort aber sehr viel gelernt. Ich habe nicht so viel gespielt, wie ich wollte, aber es hat mir auf jeden Fall geholfen. Ansonsten sprechen die jüngeren Leute in Litauen auch englisch. Die haben mich auch beim Einkaufen gut unterstützt. Es war nicht so schlimm, wie ich es dachte.
Du bist dann mit Kaunas auch litauischer Meister geworden. Wie habt ihr in Litauen die Meisterschaft gefeiert?
Isaiah Hartenstein: Mit sehr viel Alkohol …
Mit Wodka?
Isaiah Hartenstein: Alles! Die haben alles gemischt! Und als Meister muss man in Kaunas eigentlich auch eine Zigarre rauchen, das habe ich nicht gemacht. Trotzdem war es eine gute Feier …
Der Draft 2017 … warst Du überrascht oder auch enttäuscht, dass Du nicht in der ersten Runde gegangen bist, wo Dich viele erwartet hatten?
Isaiah Hartenstein: Ich war überrascht und enttäuscht. Vor dem Draft war es klar, dass ich wohl zwischen 10 und 25 gehe. Irgendetwas haben sie mit meinem Knie gesehen. Ich bin dann nach Deutschland und habe mich untersuchen lassen, aber da war nichts. Deswegen war ich schon enttäuscht.
Deine Zeit in Houston war nicht einfach. In der G-League hast Du teilweise geil gespielt. Aber im Small-Ball-System keinen Platz gefunden. Wie siehst Du es?
Isaiah Hartenstein: Es war auch wieder für mich eine Up-and-Down-Situation. Ich habe da viel gelernt. Aber wie sie gespielt haben, war nicht ideal für mich. Ich habe gerade am Ende richtig gute Spiele gemacht, sie sind aber auf Small Ball gegangen und da konnte ich nicht viel machen. Trotzdem hat mir die G-League geholfen. Ich habe viel gespielt, saß nicht auf der Bank, konnte viel auf dem Feld machen. Das zeige ich jetzt bei den Cavs, wenn es um Passen, um Scoren, um Rebounden geht.
In der Zeit bist Du auch Nationalspieler geworden. Wie war das für Dich als Deutsch-Amerikaner die Hymne zu hören?
Isaiah Hartenstein: Es war eine große Ehre für mich, bei den Herren dabei zu sein, zu lernen und für sein Land zu spielen.
Wie war das zu der Zeit, wenn man zwischen den Rio Grande Valley Vipers und den Houston Rockets hin und her pendeln musste? Fühlt man sich da, als ob man kein zu Hause hat oder sagt man, einfach Augen zu und durch?
Isaiah Hartenstein: Die Valley Vipers und die Rockets gehören zusammen, spielen ähnliche Systeme. Das macht es einfacher, zumal auch manche Coaches mitgehen. Für mich war es schwierig, weil ich wusste, dass ich da nicht hingehöre. Ich habe unten abgeliefert, aber oben keine Chance bekommen.
Du hast lange als Power Forward mit einem echt großen Skill-Set gegolten. Haben Dich die Rockets zu einem „Roll-Fünfer“ degradiert?
Isaiah Hartenstein: Was viele Fans nicht verstehen, dass man immer eine Rolle hat. Ich kann viel tun, aber manche Mannschaften wollen, dass du nur eine Sache tust. Ich musste mein Spiel etwas umstellen, weil ich davor nie wirklich gerollt habe. Aber es hat mir geholfen, dass ich jetzt rollen, dribbeln, passen und werfen kann.
Es gibt Leute, die sagen, dass Du den Schritt in die NBA vielleicht zu früh gemacht hast. Du hättest wie Daniel Theis oder Maxi Kleber länger in Europa bleiben sollen. Dann wäre der Übergang in die NBA leichter gegangen. Was sagst Du Deinen Kritikern?
Isaiah Hartenstein: Es war die Situation. Ich war bei einer Mannschaft, die immer gewinnen wollte und die jungen Spieler nicht oft gespielt haben. Bei einer anderen Mannschaft wäre es vielleicht etwas einfacher für mich gewesen. Ich glaube, dass der Schritt der richtige war. Ich weiß, dass ich in die NBA gehöre und ich weiß, dass ich einer der Besten in der NBA sein kann, wenn ich die Chance bekomme.
Du hast gesagt, dass Dein ehemaliger Mitspieler bei den Denver Nuggets, Nikola Jokic, der beste Center der NBA sei. Und Du wolltest der beste Center der NBA sein, der von der Bank kommt. Was hast Du von ihm gelernt?
Isaiah Hartenstein: Kleine Sachen. Ich konnte schon gut passen, aber er hat mir immer noch kleine Tipps gegeben, die mir heute immer noch weiterhelfen.
Wie ist das eigentlich mit diesem Trade? Wirst Du im Vorfeld informiert, dass Du ein Trade-Kandidat sein könntest? Wer informiert Dich am Ende, wenn es über die Bühne geht? Der Klub, Dein Agent?
Isaiah Hartenstein: Wir dachten, dass ich nicht getradet werde, dann ist da noch etwas aufgekommen. Es war quasi in letzter Minute. Mein Agent hat es mir einen Tag davor erzählt, dass noch etwas passieren könnte. Der General Manager ruft dich dann an und am nächsten Tag bist du weg. Alle Sachen packen und ab.
Man hat keine Zeit sich zu verabschieden, weil Du 24 Stunden später schon woanders bist?
Isaiah Hartenstein: Ja, das geht relativ schnell. Ich bin ja schon länger in der Liga und habe andere Spieler gesehen, die getradet wurden. Wichtig ist für mich, dass ich viel spiele und das tue ich hier in Cleveland. Deswegen war es nicht schwierig.
Hattest Du Dir das ausmalen können, dass Du viel spielen würdest? Als Du von dem Trade erfahren hast, war das für Dich positiv oder eher negativ?
Isaiah Hartenstein: Positiv, weil ich wusste dass ich hier bei den Cavs konstant spiele. In Denver habe ich zu Beginn der Saison gut gespielt und wurde dann aus der Rotation rausgenommen. Da war auch mein Selbstbewusstsein runter. Wenn man nicht so in der Rotation ist, dann kennt man seine Rolle nicht so wirklich. Es ist mental schwieriger und man spielt nicht so frei.
Du spielst ja in Cleveland nicht nur mehr, sondern auch wie der „alte“ Isaiah Hartenstein. Du legst fast in jedem Spiel ein Double-Double auf, Du hast sehr gute Assist-Zahlen und nimmst auch mal wieder Dreier, was Du in Denver gar nicht gemacht hast. Ist es schön, nicht nur mehr zu spielen, sondern auch zu zeigen, was man alles für Pfeile im Köcher hat?
Isaiah Hartenstein: Es macht auf jeden Fall viel mehr Spaß. Fans verstehen nicht, dass es mental schwieriger ist, für Mannschaften mit kürzeren Lines zu spielen. Ich hatte in Denver eine Rolle, wo ich nicht alles machen konnte und dann spielt man auch nicht mit Selbstbewusstsein. Da ich nicht mein Spiel spielen konnte, hat es sich dann auch auf meine Leistung ausgewirkt.
Du warst in der BBL, bei einem Euroleague-Team, in der G-League und spielst jetzt in der NBA. Wo sind die Unterschiede?
Isaiah Hartenstein: Wir spielen in der NBA viel schneller. Man spielt immer gegen Weltklassespieler wie etwa James Harden. Man versucht es ihnen so schwer wie möglich zu machen, aber am Ende des Tages sind es Superstars, die immer ihre Sachen machen, egal wie du sie verteidigst. Diese Stars gibt es nicht in Europa.
Mittlerweile gibt es neben Dir noch einige Deutsche in der NBA. Heißt das, dass die Europäer besser und die Amerikaner schlechter geworden sind?
Isaiah Hartenstein: Ich glaube, dass die europäischen Basketballer eher besser geworden sind. Aber es wird auch viel mehr als früher in Europa gescoutet und gute Spieler früher entdeckt. Es gibt viele junge deutsche Spieler, die auch eine Chance haben werden. Wir müssen als deutsche Spieler auch den jungen Leuten helfen.
Du hast nach der Saison eine „Players-Option“. Was bedeutet das genau?
Isaiah Hartenstein: Ich kann entscheiden, was ich mit meinem Vertrag mache. Wenn ich hier bleiben will nach diesem Jahr, kann ich die Players-Option ziehen, den Vertrag noch ein Jahr haben oder ich kann ihn ablehnen, um dann mehr Jahre und mehr Geld zu bekommen. Es ist sehr gut für mich.
Wenn man über Deine Vita fliegt, dann könnte man glauben, Du wärst 45 … Du bist erst 22 und hast Deinen Traum, in der NBA zu spielen, schon erreicht. Was sind Deine nächsten Ziele?
Isaiah Hartenstein: Ich möchte in der NBA konstant starten, immer besser werden. Wenn man über mich redet, dass man sagt, dass ich einer den besten Center in der NBA bin. Das ist mein Ziel.
Und was ist mit Olympia?
Isaiah Hartenstein: Das ist eine interessante Sache, auch wenn die NBA immer an erster Stelle steht. Olympia habe ich im Hinterkopf, wenn es mit der NBA gut läuft.
Du hast gesagt, dass Du einer der besten Center in der NBA werden willst. Ist dies Deine Position für die Zukunft? Eigentlich hast Du ja auch viele Elemente für einen Power Forward …
Isaiah Hartenstein: Die Hauptposition wird Center sein. Es hat sich in der NBA auch geändert, nicht mehr so wie früher, wo sie nur aufgepostet haben und Pick and Roll gespielt haben. Ich spiele viel von oben und deswegen spiele ich hauptsächlich Center, könnte aber auch auf die Vier gehen.
Wer war Dein unangenehmster Gegenspieler in der NBA?
Isaiah Hartenstein: In Houston haben wir sehr viel geswitcht. Das schwierigste war gegen Zach Lavine zu spielen. Er ist sehr schnell, er hat viele Moves.
Und wer war Dein bester Mitspieler?
Isaiah Hartenstein: Ich habe ja mit vielen Guten gespielt wie James Harden, Nikola Jokic, Russell Westbrook, CP3 … das sind die vier …
Gehen wir noch einmal zurück … wann hast Du Deinen Vater zum ersten Mal beim Eins gegen Eins besiegt?
Isaiah Hartenstein: Da war ich 14., 15.
Hast Du dann trotzdem abends etwas zu essen bekommen oder blieb dann die Küche kalt?
Isaiah Hartenstein: Nee, Mama hat dann dafür gesorgt, dass ich immer etwas zu essen hatte.
Dein Vater hat Dir ja viel beigebracht. Kann er Dir heute noch etwas mitgeben?
Isaiah Hartenstein: Ich rede immer noch viel mit ihm über Basketball. Er hilft mir gerade viel mit Essen. Im Sommer spielt er immer gegen mich. Er ist immer für mich da und wir haben immer Kontakt.
Er hat ja auch einige Jahre in der BBL aktiv gespielt. Was hast Du von ihm mitgenommen von Dingen wie Professionalität, Einstellung, Teamgeist? Er war ja auch Kapitän und wurde von jedem respektiert aufgrund seiner Art. Hast Du davon etwas versucht zu übernehmen?
Isaiah Hartenstein: Auf jeden Fall. Ich war immer mit ihm in der Kabine oder in seinem Basketballumfeld. So habe ich auch viel von anderen gelernt, wenn sie irgendwelche Fehler gemacht haben, ob es auf oder neben dem Court war. Ich sollte immer professionell sein, ein Teamplayer sein. Er hat immer versucht, mich auf dem Boden zu halten. Das hat mir immer sehr geholfen.
Dein Vater ist noch in Denver. Kommt er jetzt zu Dir nach Cleveland?
Isaiah Hartenstein: Das wissen wir noch nicht. Die Saison ist nur noch anderthalb Monate lang. Bis Ende der Saison wird er wohl in Denver bleiben. Spontan kommt er sicher zu manchen Spielen.
Und wann sehen wir Dich denn wieder in Deutschland? Damit wir zusammen Jägerschnitzel essen können …
Isaiah Hartenstein: Das wissen wir noch nicht. Mit COVID-19 ist es schwierig. Ich wollte eigentlich dieses Jahr nach Deutschland kommen, aber es ist kompliziert mit den ganzen Papierkram. (SK/OD)
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