Klaus Filbry: „Wir sind ein Sportverein! Unsere Plattform ist Sport“.
Seit über zehn Jahren ist Klaus Filbry beim SV Werder Bremen bereits in Amt und Würden. Als Vorsitzender der Geschäftsführung muss der gebürtige Münsteraner das Schiff „Werder“ durch die stürmischen Zeiten der Pandemie navigieren. Die wohl größte Herausforderung bisher. Im „sportflash.online“-Interview beschreibt Klaus Filbry die Probleme durch die Pandemie und blickt in eine ungewisse Zukunft.
Hallo Klaus, da wir beide ja Münsteraner sind, duzen wir uns … es gibt eine richtig schöne Nachricht aus dem Werder-Umfeld, es gibt jetzt einen Werder-Whisky! Hast Du den edlen Tropfen schon probiert?
Klaus Filbry: Ich habe eine Flasche geschenkt bekommen, aber aktuell noch nicht probiert. Es ist ein kreatives Konzept von Leuten hier aus Stuhr, die vom Werder-Whisky 12.000 Flaschen produzieren. Er wird in Schottland produziert. Ich freue mich dann mal nach einem Sieg einen Whisky trinken zu können.
Ich habe mal gelernt, dass Alkohol keine Lösung ist … aber jetzt vielleicht doch, um den Fans eine schöne Möglichkeit zu geben …
Klaus Filbry: Es ist ja ein Qualitätsprodukt zum Genießen. Alles in Maßen.
Wir sind in turbulenten Zeiten. Seit 1. Oktober 2010 bist Du im Amt. Ist das die anstrengendste Zeit, die Du in Deiner Ägide hattest?
Klaus Filbry: Ja, ohne Wenn und Aber!
Was ist die größte Herausforderung?
Klaus Filbry: Wir waren sportlich auf der Intensivstation und haben dann noch mit der Pandemie den Supervirus bekommen. Die Kombination aus Abstiegskampf im letzten Jahr und der pandemischen Situation ist extrem herausfordernd. Sportlich haben wir es hinbekommen, aber jetzt haben wir mit den wirtschaftlichen, immensen Auswirkungen aufgrund von der Pandemie zu kämpfen. Das fordert uns jeden Tag und ist in dieser Kombination meine höchste berufliche Herausforderung.
Bist Du eher Optimist oder Realist? Optimistisch, dass es bald wieder eine Normalität gibt oder realistisch, dass das noch dauern kann …
Klaus Filbry: In der Eigenschaft als kaufmännischer Geschäftsführer muss ich auch immer mit den Worst-Case-Prämissen arbeiten. Ich muss einen sachlichen Blick auf die Dinge haben und schauen, was ist, wenn das Glas mal halb leer ist, um für die Eventualitäten vorzubeugen. Gleichzeitig bin ich positiv davon überzeugt, dass das Glas halb voll ist, dass wir aus der Herausforderung gestärkt hervorgehen werden.
Sportlich habt Ihr noch Möglichkeiten, etwas Geld einzunehmen. Ihr seid im Viertelfinale des DFB-Pokals und gegen Regensburg der Favorit. Was hat das denn für eine Bedeutung, wenn Ihr ins Halbfinale kommt? Nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich. Vom Finale wollen wir noch nicht reden …
Klaus Filbry: Der DFB-Pokal ist immer ein emotionaler, damit schöner Wettbewerb, auch wenn er dieses Jahr ohne Fans stattfindet, was natürlich sehr traurig ist. Im Viertelfinale zu sein ist ein großer Erfolg. Wenn wir Regensburg ernst nehmen und weiterkommen, dann gibt es 2 Millionen Euro Geldprämie vom DFB. Das ist sehr gut verdientes Geld. Danach gäbe es die große Möglichkeit gegen RB Leipzig, in das Finale zu kommen. Das ist ein Ansporn für die Mannschaft und für uns alle. denn Berlin ist immer eine Reise wert.
Etwa zwei Drittel der Saison sind gespielt. Wie fällt das Zwischenfazit aus?
Klaus Filbry: Ich bin mit der Entwicklung zufrieden, jedoch nicht mit jedem Spiel. Grundsätzlich hatten wir ein unglaublich schwieriges, letztes Jahr. Wir haben sehr selbstreflektierend Themen analysiert und verändert. Sehr viele Dinge, die wir im sportlichen Bereich verändert haben, haben auch gegriffen. Wir sind dabei, eine deutlich stabilere Saison zu haben und den Klassenerhalt möglichst schnell zu sichern. Das ist das Ziel. Wir haben gleichzeitig die Kaderkosten signifikant reduziert und sind einen ersten Schritt in Richtung Konsolidierung gegangen. Dazu haben wir junge Spieler entwickelt und ihnen Perspektiven aufgezeigt. Dadurch haben wir rein sportlich Möglichkeiten für die Zukunft entwickelt und auch Werte geschaffen.
Du hast über den Abstiegskampf in der letzten Saison berichtet. Zu der Zeit gab es auch „Filbry-raus-Rufe“. Wie nah ging Dir das?
Klaus Filbry: Jedes Medium hat sich eine Person ausgesucht. Für das eine war es Marco Bode, für das andere Frank Baumann, für das nächste Florian Kohfeldt und dann war auch ich dran … So standen wir in den unterschiedlichsten Formen in der Kritik. Dass nach so einer Saison Kritik geäußert wird, das ist absolut legitim und dass wir Fehlergemacht haben, haben wir offen und transparent zugegeben. Damit muss man sich sachlich auseinandersetzen. Es tut immer weh, wenn es unsachlich oder inhaltlich nicht begründet wird. Damit muss man lernen, umzugehen und im Laufe der Zeit eignet man sich eben ein dickeres Fell an. Wir haben am Trainer festgehalten, gegen den Widerstand von vielen Menschen um uns herum und sind am Ende mit dieser Hartnäckigkeit, dem Trainer unser Vertrauen auszusprechen, belohnt worden. Wir glauben an ihn, denn er ist ein sehr, sehr guter Trainer. Wenn man in der Kritik steht, muss man breite Schulter haben, für Themen gerade stehen.
Für die Pandemie kannst Du ja gar nichts. Wie kannst Du seriös eigentlich die Zukunft für den SV Werder Bremen planen?
Klaus Filbry: Es ist in der Tat eine Herausforderung. Ich bemühe immer das Bild, dass wir viele Bälle in der Luft haben und nicht wissen, wie diese Bälle fallen. Man muss in Szenarien denken und sich nur für diese Szenarien vorbereiten. Das erste Szenario ist die Liquiditätsplanung, um für den Worst Case sicherzustellen, dass wir immer liquiditätsmäßig abgesichert sind und die Rechnungen und Gehälter zahlen können. Da sind wir auf einem guten Weg. Die aktuelle Saison ist durchfinanziert und es sieht auch gut für die neue Saison aus. Dann muss man sich sehr genau die Kostenstruktur anschauen und die Themen, die man kostenmäßig angehen kann. Man muss dabei ein sehr rigides Kostenmanagement fahren, um von fixen Kosten runterzukommen und dort einsparen, wo es sinnvoll und machbar ist. Es darf aber das Kerngeschäft nicht nachhaltig schädigen. Aktuell sind wir dabei, mit unserem internen Strategieprozess „Spielplan 2025“ nach vorne zu schauen und den Verein für die nächsten fünf Jahre aufzustellen. Wir wollen uns die Fragen beantworten, wie wir Themenbereiche, Ziele, Strategien und Maßnahmen klar definieren, um uns zu entwickeln. Das passiert alles simultan, das macht es herausfordernd, dadurch aber auch wieder spannend. Wir werden gestärkt aus dieser Situation herausgehen.
Ihr habt auch eine Fußballmannschaft in der ersten Frauen-Bundesliga. Geht ihr da möglicherweise ran?
Klaus Filbry: Nein! Wir sind ein Sportverein! Unsere Plattform ist Sport und wir wollen durch Entwicklungen die Menschen begeistern, Menschen ausbilden und mit unseren Werten gesellschaftliche Herausforderungen angehen. Für uns gehört der Spitzensport dazu, also erste Fußball-Bundesliga bei Frauen und Männern, erste Bundesliga im Tischtennis und zweite Bundesliga Handball-Frauen, sowie erste Bundesliga im Schach. Wir haben den Gedanken des Hochleistungssports ganz klar verankert, idealerweise angeschoben durch Ausbildung und Entwicklung eigener Talenten. Wir werden alles daran setzen, dieses Thema auch weiter nach vorne zu bringen. Wir wollen den Frauen weiterhin die Möglichkeiten geben, auf höchstem Niveau hier Fußball zu spielen.
Wenn dann wieder Zuschauer in die Hallen, Arenen und Stadien gehen dürfen, gibt es dann die schon diskutierte Entwöhnung oder sind dann die Menschen eher ekstatisch und rennen die Bude ein?
Klaus Filbry: Es wird ein gradueller Prozess. Es wird durch Hygienevorschriften und der pandemischen Situation vorgeschrieben. Es wird eine sukzessive Befüllung der Stadien, Eventstätten und Veranstaltungsorte geben. Die Fans werden gerade entemotionalisiert und entwickeln einen gewissen Abstand zum Sport. Das müssen wir wieder entwickeln und die Menschen für den Sport begeistern. Wir brauchen eine flächendeckende Impfung oder eine Schnelltestsystematik, so dass man sicher ins wohninvest Weserstadion zurück kann. Wir müssen den Menschen aber auch dann ein richtiges Angebot machen und ein gutes Konzept vorlegen. Aber es wird alles dauern und wir müssen Geduld haben.
Ein Begriff des Monats März war „Ausstiegsklausel“. Hat Florian Kohfeldt eine Ausstiegsklausel?
Klaus Filbry: Nein!
Er scheint aber begehrt zu sein. Das ist ja auch ein Lob für Eure Arbeit, oder?
Klaus Filbry: Das ist erst mal ein Lob für ihn als Mensch und als Trainer. Er ist ein hervorragender Trainer. der sich nicht mehr entwickeln muss, er ist nach Christian Streich vom SC Freiburg der dienstälteste Trainer in der Bundesliga. Und durch das letzte Jahr ist er auch enorm als Persönlichkeit gewachsen. Er bringt viele Sachen mit und ist methodisch und didaktisch gut. Er hat eine hohe Vermittlungskompetenz und ist kommunikativ sehr stark, sowohl gegenüber den Spielern als auch nach außen gegenüber den Medien. Er hat eine klare Vorstellung von Fußball, wie er ihn spielen lassen möchte und hat gelernt, dass man auch situativ seine Taktik auch mal anpassen muss. Er ist ein hervorragender Entwickler von jungen Menschen, die er auf den richtigen Weg bringt, sowohl fußballerisch als auch menschlich. Er ist ein spannendes Gesamtpaket! Das wissen wir auch, deswegen haben wir auch immer zu ihm gestanden. Er fühlt sich bei uns wohl. Wir finden es gut, dass er bei uns ist!
Und bleibt?
Klaus Filbry: Davon gehe ich aus! Wir haben einen Vertrag!
Spieler haben eine Karriereplanung, Trainer sicher auch, wie ist es denn mit einem Geschäftsführer eines Vereins?
Klaus Filbry: Ich habe einen langfristigen Vertrag, den ich erfüllen will. Mir macht die Arbeit trotz aller Herausforderungen sehr viel Spaß. Ich sehe auch meine Arbeit hier, als jemand, der seinem Verein dient und der den Verein auch durch diese Krise führt. Das ist eine große Aufgabe. Das machen wir gemeinsam im Team, damit der SV Werder in dieser unruhigen See auch segeln kann.
Stichtag. 01. Juli 2021. Wann sagst Du, es war eine gute Saison?
Klaus Filbry: Wenn wir ziemlich schnell mit dem Abstieg nichts mehr zu tun haben und wenn wir uns zwischen Platz 9 und 12 einpendeln. Das wäre rein sportlich ein großer Schritt, wenn wir gleichzeitig jungen Spielern eine Chance gegeben haben, in die Mannschaft reinzukommen und sich fest zuspielen. Ich denke da an Jean-Manuel Mbom, Romano Schmid, Josh Sargent und Marco Friedl. Damit zeigen wir wieder Perspektive auf und stehen wieder für den Weg der Durchlässigkeit und der Entwicklung für junge Menschen.
Und um den Rahmen zu schließen: Wenn der Werder den DFB-Pokal gewinnt, dann trinkst Du aus dem großen Pokal den Werder-Whisky?
Klaus Filbry: Wenn wir Pokalsieger werden sollten, werde ich es einfach still genießen. Vielleicht mit einem kleinem Glas Whisky … Dann sollten auch die feiern, die es verdient haben, die Mannschaft und der Trainer. Aber es ist noch ein sehr weiter Weg und wir sollten im Hier und Jetzt bleiben. (OD)