Dietmar „Didi“ Schacht: „Sie haben den Trainer abgeschossen“.
Dietmar Schacht ist ein Kind des Ruhrpotts. In Duisburg geboren, für den MSV in der Bundesliga gekickt. Neben den Zebras u.a. auch noch auf Schalke. Heute hat „Didi“ Schacht eine fahrbare Currywurst-Bude und hat ein lesenswertes Buch geschrieben, mit dem sinnigen Titel: „Der Kämpfer – Schicht im Schacht“. Im launigen Gespräch mit Christian Sprenger rechnet Dietmar Schacht mit seinem Herzensklub ab.
Frei nach dem Motto Deines Buches, ist bei Schalke 04 Schicht im Schacht?
„Didi“ Schacht: Momentan sieht es leider so aus. Was in der letzten Zeit im Verein, in der Mannschaft und im Spielbetrieb in der Bundesliga vorgeht, das ist alles nicht mehr nachzuvollziehen. Ich war gerade in Gelsenkirchen und muss sagen, die Leute sind alle fertig mit der Welt, niedergeschlagen, enttäuscht und traurig. Es sieht so aus, als wenn ein Verein zu Grabe getragen wird.
Gibt es irgendwen, der noch an den FC Schalke glaubt?
„Didi“ Schacht: Nein! Wenn man die Mannschaft sieht, sie ist für mich tot. Ich will nicht abwertend sein, aber, dass was Mustafi gespielt hat, das habe ich früher noch mit 40 Grad Fieber gespielt. In der E-Jugend bringt man den Spielern bei, dass man am 16 m-Raum nicht dribbeln soll und wenn ich dann sehe, wie er den Ball verliert, unglaublich … ein Eigentor kann jeder mal machen, aber die Fehler, die die Spieler immer wieder machen und dann stehen bleiben oder mit dem Kopf schütteln, da sehe ich kein Aufbäumen. Ich setze noch nicht mal einen Pfifferling darauf, dass der S04 die Relegation schafft.
Mustafi ist Weltmeister, einer der Winterneuzugänge. Was ist denn da falsch gelaufen?
„Didi“ Schacht: Jochen Schneider hat ein bisschen unglücklich agiert. Er hatte ein wenig Pech mit seinen Trainerverpflichtungen, da lag er leider falsch. Ich kann dem Mann keinen großen Vorwurf machen. Er war fleißig, er ist ein toller Mensch und hat gut nach Schalke gepasst. Er ist zur falschen Zeit zum FC Schalke 04 gekommen. Ein Sportdirektor sucht ja nicht alleine die Spieler für Verpflichtungen aus. Im Winter war es Christian Gross, der die Spieler ausgesucht hat, mit Kolasinac, mit Huntelaar und Mustafi. Von den Dreien hat anfangs Kolasinac ordentlich gespielt, ist aber jetzt auch auf einem niedrigeren Level. Das Wolfsburg-Spiel war unterirdisch. Ich habe mit Peter Neururer darüber gesprochen und es vorausgesagt: Koalsinac oft verletzt und in England wenig gespielt, Huntelaar bei Ajax auf der Bank gesessen und ab und zu eingewechselt, Mustafi oft verletzt und gar nicht gespielt. Und dann kommen die nach Schalke. Wo sollen sie denn die Spielpraxis her haben? Wie sollen sie ihre Leistungen bringen können? Mustafi hat mich damals schon als Weltmeister nicht überzeugt und Fußball-Deutschland hat doch damals gefragt, warum er zum Kader gehörte? Wir waren alle überrascht … Schalke ist sein erster Bundesligist, er war noch nie vorher in der Bundesliga! Wenn man zum FC Schalke kommt, dann muss man diesen Verein verkörpern. Die Drei sind gekommen, um den Klassenerhalt zu schaffen, aber haben Christian Gross hängen lassen. Wenn ich als Trainer Spieler hole, dann möchte ich auch, dass sie für mich durch das Feuer gehen. Und nicht, dass sie nach zwei, drei Spielen gegen Christian Gross anfangen zu intervenieren und gegen ihn zu schießen. Das war unterste Schublade! Viele ehemalige Spieler und Trainer und auch die Fans denken so!
„Sky“-Experte Dietmar Hamann sagt, dass diese Spieler das Schalke-Trikot beschmutzen, dass sie unwürdig sind, dieses zu tragen? Starker Tobak?
„Didi“ Schacht: Didi Hamann weiß genau, was er da sagt. Sie haben den Trainer abgeschossen, der sie geholt hat. Aber das sind nicht die drei einzigen. Die jungen Spieler wie Becker nehme ich mal da raus. Von Harit, Stambouli oder Mascarell muss ich einfach mehr erwarten. Von allen Seiten prasselt es jetzt auf die Spieler ein, aber das müssen sie gewohnt sein. Sie bekommen ja auch ein bisschen etwas dafür … ein bisschen Schmerzensgeld.
War der Fehler der, dass man vor der Saison gesagt hat, so schlecht kann es ja nicht weiter gehen? Außerdem habe sie vielleicht gedacht, wir sind zu gut, wir steigen sowieso nicht ab … und als sie es gemerkt haben, war es zu spät?
„Didi“ Schacht: Der HSV ist das beste Beispiel. Die haben niemals daran gedacht, dass die Uhr abläuft. Schalke 04 war zu blauäugig in diese Saison gegangen. Jeder Trainer, der zu S04 kam, außer Weinzierl und Heynckes, sind auf Schalke sehr gut gestartet, Trainer wie Wagner, Breitenreiter, Tedesco. Die waren dann die größten für die Fans. Alle haben gedacht, dass es wieder in den internationalen Wettbewerb geht. Daran sind alle gescheitert. Das ist dieses Jahr wieder so gewesen. Wagner ist sensationell gestartet und war schon der große Messias, ist dann aufgetreten wie ein Jürgen Klopp. Als es nicht mehr so gut lief wurde er nach jedem Spiel immer ruhiger und leiser. Man hat ihn nicht mehr gesehen. Beim Doppelpass hat er sich vor kurzem selbst rein gewaschen als hätte er mit der ganzen Sache nichts zu tun, schließlich hätte er alles gemacht und getan. Dann holt man einen Baum, der in der Bundesliga gescheitert und zum DFB gegangen ist. Wer in der Bundesliga scheitert, wird ja meistens beim DFB eine große Nummer … Dann hat Schneider mit Gross den Fehlgriff des Jahres getan. Er kannte ihn aus Stuttgarter Zeiten, er hat damals den VfB gerettet. Nur in Schalke laufen die Uhren anders. Das hat der eine oder andere Trainer nicht verinnerlicht. Der Niedergang fing aber mit „meinem Freund“ Heidel aus Mainz an. Seine Einkaufspolitik war „sensationell“. S04 hatte nachdem man die Spieler schon wieder verkauft hatte, mehr Schulden. Das war ein Fehlgriff, den Tönnies damals noch getätigt hat. Das hat dazu geführt, wo Schalke jetzt steht. Wir als Mannschaft sind vor 30 Jahren aufgestiegen. Jetzt hat es 30 Jahre gedauert bis wir wieder den bitteren Gang in die zweite Liga antreten müssen. Die nächste große Frage ist dann, wie schnell wir wieder hoch kommen?
Wer kann denn helfen? Wie ist es mit Ralf Rangnick?
„Didi“ Schacht: Wenn ich Ralf Rangnick wäre, dann würde ich schon jetzt nicht mehr nach Schalke gehen. Nach diesem Palaver im Vorstand, ob er der Richtige ist, und nach diesem Hickhack um seine Person, glaube ich nicht, dass er zusagen wird. Er liebäugelt auch ein bisschen mit dem Job des Bundestrainers. Aus meiner Sicht wäre er der ideale Mann für Schalke. Er hat es ja in Hoffenheim und Leipzig gezeigt. Man muss aber auch sagen, dass da viel mehr Geld vorhanden war. Es reizt ihn sicherlich, Schalke 04 wieder in die richtigen Bahnen zu bringen, vielleicht verzichtet er auf ein bisschen Geld. Ob das Geld reicht, um gar eine schlagkräftige Truppe aufzubauen, das ist eine andere Geschichte … Damals hat es nach dem Abstieg, als ich dabei war, drei Jahre bis zum Wiederaufstieg gedauert.
Ist denn der aktuelle Trainer Grammozis der richtige für den Aufbau oder ist er auch schon wieder verbrannt?
„Didi“ Schacht: Mit seinen Aussagen nach dem Wolfsburg-Spiel hat er sich schon wieder ein halbes Grab in Schalke geschaufelt. Das war nicht ganz so clever … Er hat es versäumt, den einen oder anderen Spieler anzuzählen, um sich eine gewisse Position im Klub und vor der Mannschaft zu schaffen. Als Trainer ist er in Darmstadt 14. geworden. Dann hat er dort seinen Vertrag nicht verlängern wollen, weil er sich andere Angebote ausgerechnet hat. Dass er nach über einem Jahr nicht nein zum Angebot des FC Schalke 04 sagt, ist doch klar. Hätte man mich gefragt, dann wäre ich barfuß nach Schalke gegangen. Ich verstehe nicht, dass man ihm direkt einen Vertrag über 1,5 Jahre gegeben hat. Dazu hätte ich bis zum Sommer eher eine vereinsinterne Lösung wie Peter Neururer gesehen, denn er kennt das Umfeld. Mit seiner Art und Power kommt er gut an und hat die Fans hinter sich. Danach hätte ich mir Gedanken gemacht, wen ich im Sommer hole. Gewinnt Schalke 04 bis zum Sommer kein Spiel mehr, ist der Trainer auf Schalke verbrannt. Dann traut ihm auch keiner den Neuaufbau zu. Wenn irgendwann die Zuschauer wieder da sind, wird der Druck noch größer. Wenn ein Trainer mit einer Mannschaft absteigt, ist es schwierig, den Wiederaufstieg und den Neuaufbau zu schaffen, weil das Vertrauen dann nicht so da ist, wie es sein sollte. Du bist der Abstiegstrainer und keiner spricht von den Experten, die vorher da waren. Die kassieren ihre Abfindung oder noch Gehalt und das Thema ist durch. Jedem Spieler müssten sie gut 100.000 Euro für die ganzen Abfindungen für die Trainer abziehen, denn sie waren mitverantwortlich dafür, dass diese Leute gehen mussten.
Bevor wir zum Ende kommen, vielen Danke schon mal für Deine Meinung zum FC Schalke 04. Und wer mal eine Currywurst mit Dir essen will, der findet bei Facebook alles weitere über „Didi“ Schacht. Nun aber: Welche Spieler würdest Du aussortieren, wen würdest Du mit in die zweite Liga nehmen, um wieder hoch zu kommen?
„Didi“ Schacht: Die Spieler, die ausgeliehen sind, gehen sowieso. Dass Huntelaar gekommen ist, war mehr ein PR-Gag. So wie die Naldo-Verpflichtung, um die Fans zu beruhigen. Wen behält man von dieser Mannschaft? Das ist ganz schwierig … Man muss versuchen, dass man Matthew Hoppe behält. Der Junge kann seinen Weg gehen und ihm tut die zweite Liga auch gut. Nach drei Spielen und vier Toren haben alle gedacht, er wäre der Heilsbringer. Aber seit einigen Spielen trifft er auch nicht mehr. Man muss ein Korsett von erfahrenen Spielern zusammen bekommen, dazu dann junge Spieler aus der Knappenschmiede oder der U23. Ich würde neue, erfahrene Spieler holen. Otto Rehhagel hat mal gesagt: „Man kann nicht nur mit Lehrlingen die Firma vor der Insolvenz retten. Man muss auch erfahrene Meister haben“. So ist es auch bei einer Fußball-Mannschaft. (CS)