Mariama Jamanka und Francesco Friedrich: „Es geht um Gleichberechtigung“.
Bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking gehören Mariama Jamanka und Francesco Friedrich mit zu den großen deutschen Hoffnungen auf Edelmetall. Die Bob-Olympiasiegerin sowie der zweifache Bob-Olympiasieger diskutieren in „go!d – Das Magazin der Deutschen Sporthilfe“ unter anderem über Gleichberechtigung im Bobsport und die große Ungewissheit vor den Olympischen Winterspielen in Peking.
Die Bahn in Peking habt Ihr bereits vor dieser Saison getestet. Bobfahren und Peking, passt das gut zusammen?
Mariama Jamanka: Komischerweise ja. Man hätte es vorher nicht gedacht, aber Bobfahren und Peking geht nicht nur, sondern macht auch noch Spaß. Es ist eine wirklich schöne Bahn, die technisch auch sehr anspruchsvoll ist. Man muss sagen, die haben das echt gut hinbekommen.
Francesco Friedrich: Die Chinesen haben wirklich alles dafür getan, um aus den Olympischen Winterspielen ein sensationelles Event zu machen. Die Bob-Bahn, die Umgebung, das ist alles herausragend, sowohl fahrerisch als auch touristisch ein Highlight … nur leider kam die Pandemie dazwischen. Und in China wollen sie alles dafür tun, dass diese Spiele stattfinden. Das heißt, Hygienemaßnahmen, Abstand, Desinfektion und Maskenpflicht werden großgeschrieben. Während unseres ganzen Trainingslagers hat das alles super funktioniert!
Francesco, Du bist mittlerweile seit über zehn Jahren auf den Bahnen dieser Welt unterwegs, es kommt nicht oft vor, dass Du eine neue kennenlernst.
Francesco Friedrich: Eine neue Bahn ist für mich ein zweischneidiges Schwert. Ich freue mich einerseits, anderseits tue ich mich vielleicht etwas schwerer als jemand, der noch nicht so viele Bahnen kennt. Wie etwa der junge russische Kollege, weil er im Grunde jede Bahn neu kennenlernen muss. Ich muss den Punkt finden, an dem es für mich „Klick“ macht. Wenn ich den habe, dann bekomme ich Sicherheit.
Wie sieht die Vorbereitung im Vergleich zu den vorherigen Spielen aus?
Mariama Jamanka: Die Ausgangslage ist eine andere als vor Pyeongchang. 2018 hatten wir vorher schon ein Weltcup-Rennen auf der Olympia-Bahn und auch viel mehr Trainingsfahrten. Durch die Pandemie hatten wir aber in Peking nur das eine Trainingslager und entsprechend sehr, sehr viel weniger Fahrten. Bekanntlich geht es allen Nationen so … außer den Chinesen natürlich.
Francesco Friedrich: Der größte Unterschied ist, dass dieser Pandemie-Faktor die Vorbereitung von heute auf morgen verändern kann. Du hast ständig Tests, weißt aber nie, was dabei herauskommt. Wir können noch so hohe Sicherheitsstandards haben, geimpft sein, Maske tragen, es kann immer irgendwo eine Lücke entstehen. Die Saison und die Spiele sind definitiv nicht so planbar wie sonst.
Die Pandemie einmal außen vor: Spürst Du als zweimaliger Olympiasieger und Rekordweltmeister Druck, Deine unglaubliche Erfolgsserie zu bestätigen?
Francesco Friedrich: Wenn ich weiß, mein Material passt und dass ich die Bahn gut fahren kann, weil es „Klick“ gemacht hat, kann ich die Rennen relativ gelassen angehen. Ich lasse in der Vorbereitung keinen Stein unangetastet. Wir hinterfragen Vieles immer wieder aufs Neue und finden dadurch jedes Jahr Dinge, durch die wir nachweislich Schritte nach vorne machen. Trotzdem sind Olympische Spiele immer noch mal etwas anderes.
Mariama Jamanka: „Franz“ ist ein Perfektionist in allen Bereichen. Es wird lange dauern, wenn es überhaupt noch einmal passiert, dass es einen Bobfahrer wie ihn gibt. Er ist nicht nur in einem, sondern wirklich in jedem Bereich sehr gut. Er hat mit seinem Team zusammen nicht nur seine Athletik perfektioniert, er ist auch unfassbar sorgfältig und akribisch, was sein Material und seine Fahrspur angeht. Das macht ihn erfolgreicher als alle anderen Bobfahrer.
Bist Du ähnlich gestrickt?
Mariama Jamanka: Ich bin wahrscheinlich nicht die Talentierteste, aber wohl die Hartnäckigste. Wenn ich ein Problem sehe, dann arbeite ich so lange daran, bis ich es gelöst habe. Wenn du still stehen bleibst, überholen dich die andere. Deswegen versuche ich immer, mich zu verbessern.
Francesco Friedrich: Mariama ist sehr akribisch und gewissenhaft, mit ihr kann man vor allem auch immer gut reden, einen Flachs machen. Sie ist eine entspannte Persönlichkeit und hat durch die Goldmedaille noch mehr Gelassenheit bekommen. Das zieht sie in ihrer Laufbahn so durch und wird deshalb in China einen mega Wettkampf hinlegen.
Mariama, lässt Du den Gedanken Titelverteidigung an Dich heran?
Mariama Jamanka: Ganz wegschieben kann ich das nicht, denn natürlich tragen die Menschen das an mich heran und sprechen von mir als der Olympiasiegerin. Es ist ja auch mein größter sportlicher Erfolg. Den kann mir niemand mehr nehmen, das fühlt sich schon gut an. Ich versuche es allerdings auszublenden. Denn nichts ist im Sport vergänglicher als der Erfolg von gestern. Dass ich Olympiasiegerin bin, ändert deshalb nichts an meinen Abläufen und der Herangehensweise an die Spiele. Ich will in Peking zwar zeigen, dass unser Erfolg 2018 keine Eintagsfliege war. Aber es ist eine neue Saison, eine neue Bahn und die Rennen beginnen bei null.
Neu ist, dass bei den Frauen eine zweite olympische Disziplin dazukommt. Du gehörst zu den Kritikerinnen der Monobob-Einführung. Warum?
Mariama Jamanka: Grundsätzlich ist es für mich ein Problem, dass man in einer Team-Sportart eine Einzeldisziplin eingeführt hat … zumindest steht es so auf dem Papier. Denn ich fahre zwar allein, aber ich bin genauso auf Hilfe angewiesen wie im Zweierbob. Ich kann weder das Material allein vorbereiten noch den Schlitten am Start oder Ziel bewegen. Meine Anschieberinnen sind also eine Woche lang nur dafür da, den Monobob zu schleppen und die Kufen in Bewegung zu bringen. Das ist nichts, was Leistungssportler mögen. Ich finde es extrem unfair, dass ihnen das aufgedrängt wird. Denn das Reglement schreibt vor, dass sich das „Team Jamanka“ nur in der Kombinationswertung qualifizieren kann. Ich kann mir also nicht, wie die Männer, aussuchen, nur eine Disziplin zu fahren. Ich muss also im Monobob ran.
Ist es dennoch eher positiv zu bewerten, da eine zweite Disziplin wie bei den Männern zu mehr Gleichberechtigung führt?
Mariama Jamanka: Es ist gut, dass versucht wird, etwas zur Gleichberechtigung zu tun … aber Monobob ist keine wirkliche Gleichberechtigung. Beim Viererbob gibt es vier Medaillen, beim Monobob eine. Man darf jetzt nicht sagen, das Ziel ist erreicht, nur weil man eine zweite Disziplin eingeführt hat.
Francesco, wie bewertest Du die Monobob-Einführung?
Francesco Friedrich: Es ist wichtig, dass dieser Schritt kam. Wir wollen noch über eine lange Zeit eine Sportart bei Olympischen Spielen bleiben und dafür gehört der Gleichberechtigungsgedanke dazu. Ich verstehe aber auch das Ärgernis wegen der Diskrepanz zum Vierer, aber der Mono ist für die Frauen eine äußerst spannende Disziplin und eine Chance auch für diejenigen, die im Zweier nicht vorne dabei sind. Der Materialfaktor, wir sagen immer ein Drittel Start, ein Drittel Fahrt und ein Drittel Material, wird limitiert. Ich kann also mit Start und Fahrt sehr viel rausholen.
Mariama Jamanka: Und zwei Disziplinen sind für uns natürlich auch eine komplett neue Herausforderung. Das hat Einfluss auf den gesamten Prozess, es macht die komplette Saison aufwendiger, anstrengender und kräftezehrender.
Francesco Friedrich: Jetzt wissen die Frauen mal, was wir durchmachen, wenn wir jede Woche zwei Rennen haben, zwei Schlitten und zwei Sätze Kufen vorbereiten müssen … im Ernst, ich glaube, es wird die Qualität im Frauen-Bobsport anheben. Sie lernen neue Aspekte kennen, können das auch in den Zweierbob übertragen. Es wird sie zu besseren Pilotinnen machen. Und was die Medaillenanzahl angeht: Ich gehe davon aus, dass noch ein Team-Wettkampf eingeführt wird. Dann hat auch die dritte und vierte Anschieberin die Chance, um eine Medaille mitzufahren. Blicken wir dem mal optimistisch entgegen, und hoffen, dass es 2026 so weit sein wird. (go!d/TX)
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