Leonie Pankratz: „Ob Frau oder Mann, ein guter Trainer ist ein guter Trainer“.
Das erste offiziell geführte Interview von Fußballerin Lisa Schmitz für „sportflash.online“. Die (noch) Torhüterin unterhielt sich mit Mannschaftskollegin Leonie Pankratz vom HSC Montpellier über die Karriere, mit diversen Aufenthalten in anderen Ländern. Es gibt spannende Einblicke auf die Entwicklung des internationalen Frauenfußballs in den letzten zehn Jahre und die Unterschiede zur deutschen Bundesliga.
Leonie, Du hast in fünf verschiedenen Ländern und in sechs Klubs gespielt. Das erinnert mich ein bisschen an Lutz Pfannenstiel, der in 15 Ländern bei 25 Vereinen aktiv war. Hast Du ihn Dir als Vorbild genommen?
Leonie Pankratz: Eigentlich gar nicht … ich wusste gar nicht, dass er in so vielen Ländern war. Ich kenne aber seine sehr spannende Geschichte.
Hast Du denn vor, noch in weiteren Ländern Fußball zu spielen?
Leonie Pankratz: Das ergibt sich ganz spontan. Ich bin offen, es wird manchmal langweilig und da suche ich immer neue Herausforderungen. Wer weiß, was noch kommt …
In welchen Ländern hast Du bisher gespielt?
Leonie Pankratz: Nach dem Abitur war ich in Spanien (UD Levante), weil ich mal etwas Anderes machen und mich neu orientieren wollte. Nach einem Jahr kam ich wieder nach Deutschland zurück (TSG Hoffenheim), um zu studieren. 2013 bin ich dann im Rahmen des Studiums nach Portugal gegangen. Ich habe Sprachen, unter anderem Portugiesisch, studiert und es wurde uns nahe gelegt. Ich war ungefähr eine halbe Saison dort (Boavista Porto), bevor ich wieder zur TSG zurückkam. 2016 bin ich im Sommer, als die Liga pausiert hat, nach Island (IBV Vestmannaeyjaer), wo ich drei Monate gespielt habe. Dann wieder zur TSG und jetzt bin ich eben in Frankreich gelandet (HSC Montpellier).
Ist denn die TSG Hoffenheim ein bisschen Deine Heimat?
Leonie Pankratz: Es war mein Herzensverein. Ich habe dort zehn Jahre gespielt. Ich habe da die ganze Entwicklung bis zum professionellen Fußball mitgemacht und habe mich immer wohl gefühlt.
Warum hattest Du bei den verschiedenen Klubs nur relativ kurze Aufenthalte?
Leonie Pankratz: Für mich war immer klar, dass ich mein Studium immer zügig weiter machen möchte und da wären zwei, drei Jahre zu lang gewesen. Ich wäre aber immer gerne länger geblieben, aber hatte immer das Ziel meinen Bachelor bzw. den Master zu machen.
Du hast Sprachen studiert, unter anderem Portugiesisch. Welche Sprachen?
Leonie Pankratz: Spanisch in den Übersetzungswissenschaften. Diese Sprachen haben mir Spaß gemacht, es war naheliegend, in den Ländern auch zu spielen.
Aber warum denn dann Island?
Leonie Pankratz: Das weiß ich eigentlich auch nicht … die isländische Liga hat in der deutschen Sommerpause weitergespielt und das Land hat mich schon immer fasziniert. Ich habe zu der Zeit in Island auf einer kleinen Insel gelebt. Das war so ein bisschen wie eine „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer-Insel“. Das war eine sehr intensive Zeit dort.
Du bist ziemlich früh ins Ausland gegangen. Das war damals im Frauenfußball noch gar nicht so üblich. Mittlerweile machen das sehr viele Frauen, die in der Bundesliga spielen und dann ins Ausland gehen. Vielleicht bist Du ja so etwas wie eine Vorreiterin … wie war es denn damals? Wie waren die Verhältnisse im Frauenfußball in den anderen Ländern?
Leonie Pankratz: Ich hatte in Frankfurt gespielt und kann mich noch gut an den Satz erinnern: „Wenn Du jetzt ins Ausland gehst, dann ist Deine Karriere vorbei“. Es war tatsächlich damals gar nicht üblich ins Ausland zu gehen. Vielleicht noch in die nordischen Länder wie Schweden, wie Anja Mittag. Aber Spanien sowie Portugal waren nicht angesagt. Ich hatte aber meinen Plan im Kopf und ließ mich auch nicht davon abbringen. Es war schon relativ professionell dort, ich war überrascht. Wir hatten viel Training, einen Athletiktrainer, einen Physiotherapeuten. Da waren sie sogar etwas weiter als in Deutschland, was ich so nicht erwartet hatte. Das hat mir meiner Entwicklung sowohl sportlich, aber auch persönlich, sehr gut getan.
Heute gehen viele Frauen ins Ausland. Haben die anderen Ligen im Vergleich zur deutschen Bundesliga aufgeholt?
Leonie Pankratz: Ja, definitiv! Früher war Deutschland noch das „non plus ultra“. Mittlerweile hat Spanien eine sehr attraktive Liga, England, aber auch Frankreich haben sehr gut gearbeitet, auch was die Öffentlichkeitsarbeit angeht. Die Spiele in Spanien sind gut besucht. Es ist gut, dass es in Europa heute die Konkurrenz zu Deutschland gibt.
Wie waren damals die Bedingungen? Also die Platzbedingungen, die Kabinen, aber auch das Thema Ernährung? War das alles für Dich neu oder konnte man das mit der TSG Hoffenheim vergleichen?
Leonie Pankratz: Es gab einen Unterschied zwischen Spanien sowie Portugal. In Spanien war es schon professionell und die Bedingungen waren gut. In Portugal gab es schon die eine oder andere Spielerin, die sich vor dem Training noch eine Tüte Chips reingestopft hat. Das war schon noch mehr auf dem Amateurniveau, aber mittlerweile hat es sich dort aber auch sehr gut entwickelt.
Aktuell spielst Du in Frankreich beim HSC Montpellier. Wie findest Du die aktuelle Situation des Frauenfußballs in Frankreich?
Leonie Pankratz: Sehr gut. Corona-bedingt ist die Zuschauernachfrage natürlich schwierig. Die Spiele werden häufig übertragen, es wird gut berichtet. In Montpellier haben wir zusammen mit den Männern eine Facebook- und Instagram-Seite.
Hattest Du eher Trainer oder Trainerinnen?
Leonie Pankratz: Ich hatte in Frankfurt eine Trainerin und dann immer nur Trainer.
Siehst Du das kritisch, dass es weniger Frauen auf der Trainerbank gibt als Männer?
Leonie Pankratz: Das nimmt sich nicht viel. Ob Frau oder Mann, ein guter Trainer ist ein guter Trainer. In Zukunft wird es immer mehr Trainerinnen geben. Diversität tut immer gut! Mit ist es egal, Hauptsache der Trainer ist gut.
Siehst Du Dich denn nach Deiner Karriere als Trainerin?
Leonie Pankratz: Nein, ich habe keine Geduld, das ist für eine Trainerin schlecht. Das wäre nicht meine perfekte Rolle.
Mit Deinen Sprachkenntnissen könntest Du gut kommunizieren …
Leonie Pankratz: Auf jeden Fall, ich habe auch Spaß daran, mit den Leuten zu kommunizieren, aber an der Geduld würde es hapern.
In der Bundesliga der Frauen gibt es mittlerweile viele Vereine, bekannt aus dem Herrenfußball. Ist das für Dich eine positive Entwicklung?
Leonie Pankratz: Auf jeden Fall positiv. Man sieht es in Wolfsburg und München, die in Deutschland top aufgestellt sind. Ich wünsche mir aber, dass die Motivation nicht von oben erzwungen wird und dass, wie zum Beispiel jetzt Borussia Dortmund, in den Frauenfußball investieren. Das ist dann langfristig für die Liga sehr gut.
Man sagt gerne, dass man Frauenfußball mit Männerfußball nicht vergleichen kann. Wie ist da Deine Meinung?
Leonie Pankratz: Das würde ich auch nicht miteinander vergleichen. Es sind völlig andere Dimensionen zwischen weiblichem und männlichem Körper. Wir haben die gleiche Ballgröße, das gleiche Spielfeld, das Tor ist genau so groß, obwohl die meisten Torhüterinnen nicht so groß sind wie die Männer. Man sieht aber auch, dass wir in den Spielen elf Kilometer und mehr abspulen.
Hast Du denn noch ein paar Anekdoten von Deinen Auslandaufenthalten?
Leonie Pankratz: Ich hatte sehr schöne Erinnerungen auf dem Feld, aber auch neben dem Platz. In Portugal haben wir den Pokal-Wettbewerb gewonnen. Es war mein erstes Pokalfinale und gleich gewonnen. In Island hatten wir ein Pokalspiel und sind nachts um 0:30 Uhr zurückgekommen. Es gab aber keine Fähre mehr, um auf unsere Insel zu kommen. Dann hat uns der Vater von einer Spielerin mit einem Fischkutter abgeholt. Im Juni wird es in Island rundum die Mittsommernacht nicht richtig dunkel und wir sind dann nachts Richtung Insel getuckert. Wir hatten hohen Wellengang. Das war schon ein einzigartiges Erlebnis. Ich hatte schon Sorge, über die Reling zu fallen …
Was sind sonst noch Momente, die Du für Deine berufliche Zukunft nach dem Sport mitnehmen kannst?
Leonie Pankratz: Vor allem, dass ich in der ganzen Zeit immer wieder und wieder in Selbstreflektion gegangen bin. Was bin ich denn in Bezug auf das Andere, auf die andere Kultur, auf die Mentalität und dass man nicht immer festmachen kann, dass jemand so zu sein hat und dass man sich anpassen muss. Kommunikation ist das A und O. Das fängt bei der Sprache an und man muss versuchen, die Sprache so schnell wie möglich lernen.
Du bist 31, am Ende Deiner Karriere. Wie lange willst Du noch spielen?
Leonie Pankratz: Wenn man meine ganze Laufbahn betrachtet, dann bin ich am Ende der Karriere. Es macht unheimlich viel Spaß und das Leben einer Fußballerin ist ein tolles Leben. Man wird danach lange genug arbeiten. Ich sehe mich gut vorbereitet, für das, was nachkommt. Ich will aber das Leben, was ich jetzt habe, noch so lange wie möglich auskosten.
Aktuell läuft Dein Vertrag noch hier in Frankreich. Siehst Du Dich noch weiter hier oder hast Du vor, noch ein anderes Land zu bereisen?
Leonie Pankratz: Das weiß ich tatsächlich noch nicht. Meine Auslandsaufenthalte sind relativ spontan. Das war auch mit Frankreich so. Mir gefällt es hier gut, aber ich weiß wirklich nicht, was noch auf mich zukommt oder ob ich meine Karriere dann in Frankreich beende. (LS)