Dr. med. Lukas Weisskopf: „Eine große Gefahr besteht aktuell im Breitensport“.
Dr. med. Lukas Weisskopf ist orthopädischer Chirurg und leitender Arzt des Altius Swiss Sportmed Center in Rheinfelden (Aargau). Spezialist für Achillessehnen und Patellarsehnenverletzungen. Verbandsarzt von Swiss Ice Hockey und Swiss Curling und Swiss Handball, Olympiaarzt in Vancouver 2010 und Sochi 2014. Und 2021 ist Dr. med. Lukas Weisskopf der Kongresspräsident beim 36. GOTS Jahreskongress.
Herr Dr. Weisskopf, bevor wir zum Kongress kommen, denke ich, können viele Menschen mit der GOTS nicht sehr viel anfangen. Was verbirgt sich hinter der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin?
Dr. med. Lukas Weisskopf: Die GOTS ist mittlerweile weltweit eine der größten sportorthopädisch-ausgerichteten Fachgesellschaft mit Mitgliedern hauptsächlich im deutschsprachigen europäischen Raum.
In verschiedenen Komitees werden die aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnisse geteilt und Patienten und Sportlern zur Verfügung gestellt. Highlights sind jeweils die Jahreskongresse und die Expertenhefte, zu aktuellen Themen, welche heute auch als „Goldstandart“-Werke unter Orthopäden und Sportmedizinern zählen.
Am 1. und 2. Juli findet der 36. Jahreskongress der GOTS statt. Sie sind 2021 Kongresspräsident. Was dürfen die Besucher grob überrissen erwarten?
Dr. med. Lukas Weisskopf: Wir haben wieder ein sehr vielfältiges Programm mit internationalen Topreferenten, Athleten und Trainern zusammengestellt. Die großen Hauptthemen sind in diesem Jahr die Sehnen- und Muskelverletzungen, Tennis, Ski alpin sowie die funktionelle Diagnostik. Jeder sportorthopädisch Interessierte wird im Programm aber seine Subspezialisierung wie beispielsweise Knie, Fuß, Wirbelsäule, Schulter oder Ellbogen, Hüfte, Fußball etc. finden und verfolgen können.
Der komplette Kongress findet an beiden Tagen wegen der Pandemie virtuell statt. Wie muss man sich solch eine Veranstaltung vorstellen?
Dr. med. Lukas Weisskopf: Das Programm ist äußerst dynamisch und interaktiv aufgebaut, die Vorträge werden prägnant und informativ gehalten. Mit Keynote-Vorträgen, Live-Votings, Q&A-Blöcken, Diskussionsrunden, Podiumsdiskussionen mit Athletinnen und Athleten, exzellentem Physiotherapieprogramm, Ehrungen oder Posterbeiträgen und, und, und …
Das Ganze kann gemütlich und unkompliziert ohne jeglichen Reisestress mitverfolgt werden. Ein riesen Vorteil ist die Verfügbarkeit sämtlicher Vorträge im Nachgang. So kann man auch ausgewählte Beiträge seines Interessengebiets abrufen und sein Wissen in einem persönlich günstigeren Zeitfenster erweitern sowie zusätzlich die Fortbildungspunkte erlangen.
Haben die Vorträge mehr den professionellen Sport mit den Athletinnen und Athleten im Fokus, oder geht es auch um den generellen Breitensport?
Dr. med. Lukas Weisskopf: Generell gilt: Die Behandlung der Breitensportler und Spitzensportler sollte sich bezüglich der Grundsätze nicht wesentlich unterscheiden. In den Beiträgen werden die aktuellen Behandlungsempfehlungen aufgezeigt, wobei ein guter Mix der Umsetzung bei Spitzensportlern aber eben auch den vielen Nicht-Leistungssportlern oder Patienten besteht.
Die Erfahrungen im Spitzensportbereich können auch für den Breitensportler sehr wertvoll und inspirierend sein!
Sie selbst sind Spezialist für Achillessehnen und Patellarsehnenverletzungen. Täuscht der Eindruck, oder nehmen diese Verletzungen bei den Profis immer mehr zu? Und was kann man hier in der Prävention schon tun?
Dr. med. Lukas Weisskopf: Tatsächlich zeigen die Achillessehnenverletzung, und vor allem die Achillessehnenrisse, eine steigende Inzidenz, wobei jedoch aktuell die Patellarsehnenüberlastungen in etwa konstant bleiben oder gar leicht sinken.
Dies hängt mit den heutigen Präventionsstrategien und dem steigenden Verständnis bezüglich der Pathomechanismen zusammen, die bei Patellarsehnen aktuell eine höhere Effektivität zeigen als bei Achillessehnen, dazu werden die Anforderungen im Spitzensport immer größer und Verletzungen sind nicht komplett zu vermeiden.
Eine große Gefahr besteht aktuell im Breitensport. Nach dem langen Lockdown mit Trainingspause ist die Risikolage für Sehnenüberlastungen und Achillessehnenrisse massiv erhöht. Man muss sich Schritt für Schritt ans alte Niveau ran tasten.
Neben Vorträgen gibt es eine Ausstellung. Ist dies eine Art von Messe?
Dr. med. Lukas Weisskopf: Tatsächlich werden diverse Industriepartner dort ihre Produkte und Neuheiten in Workshops, Präsentationen oder aber auch in der Form einer dynamischen Speedshow präsentieren können.
In der Schweiz sind Sie Verbandsarzt in drei unterschiedliche Sportarten. Wie passt dies zusammen? Oder ist die Sportart nebensächlich …
Dr. med. Lukas Weisskopf: Nebensächlich? Die Schweiz ist bei den Damen aktuell Curling-Weltmeister, die Damen-Eishockeymannschaft holte in Sotchi immerhin eine Bronze-Medaille und die Handballer nehmen in der Zwischenzeit auch regelmäßig an Europa- oder Weltmeisterschaften teil.
Aber selbstverständlich kann man diese Sportarten und Nationalmannschaften nicht alleine und nur mit einem funktionierenden Medicalteam betreuen. Bei Olympischen Spielen ist die Betreuung von Eishockey und Curling immer sehr gut zu vereinbaren, da im Curlingsport akute Verletzungen glücklicherweise selten sind, daher braucht es vor Ort wenig ärztliche Betreuung. Die Zusammenzüge im Handball sind als reine Sommersportart zeitlich gut versetzt zu den Wintersportbetreuungen.
Wann war der GOTS Kongress für Sie am Ende ganz persönlich ein Erfolg?
Dr. med. Lukas Weisskopf: Unser Anspruch ist es einen perfekten online Kongress mit einem spannenden Programm umzusetzen. Erfolgreich war die Veranstaltung, wenn die GOTS und die Teilnehmer mit einem großen Wissensgewinn und positiven Eindrücken vom Kongress erzählen können, die persönlichen Interessen sind dabei unwichtig. Die Pandemie hat die Organisation sehr komplex und schwierig gemacht, und ich möchte mich an dieser Stelle beim Vorstand der GOTS für das Vertrauen bedanken und bei den ganzen Menschen, die Tag und Nacht an dieser Realisierung gearbeitet haben! (TX)
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